Infektiologe: Covid-19 dauert noch bis 2023
Von Christian Böhmer
Christoph Wenisch, Chef der Infektionsabteilung am Wiener Franz Josef Spital, und damit dem Wiener Schwerpunktspital für Covid-19-Fälle, dämpft die Hoffnung, dass in Österreich bald wieder völlige „Normalität“ eintreten wird.
„Covid-19 ist erst vorbei, wenn es eine Impfung gibt“, sagte Wenisch im Ö1-Mittagsjournal am Samstag. Und das werde wohl noch bis ins Jahr 2022 oder 2023 dauern. „Bis dahin werden wir uns nicht die Hände geben.“
Was die medizinische Versorgung in den Spitälern angeht, ist der Infektiologe optimistisch. Zwar kämen immer noch neue Patienten hinzu. Insgesamt sei die Zahl der Covid-19-Fälle aber stabil und bei der Auslastung der Intensivbetten stehe man insbesondere in Wien „brillant“ da. „Man darf diese Situation aber auch nicht versemmeln.“ Damit meint Wenisch, dass die gelebte Praxis der sozialen Distanz aufrecht erhalten werden müsse. „Wir wissen, dass das physische Distanzieren der Schlüssel zum Erfolg ist. Wenn wir das gefährden, kommen wir in problematische Situationen.“
Was die sozialen Konsequenzen der Epidemie angeht, appelliert der Arzt an die Politik, über die Möglichkeiten von Summer Schools nachzudenken. Als Vater von fünf Kindern wisse er, dass insbesondere die kleineren Kinder nicht gut mit digitalen Hilfen wie Skype oder Zoom zurecht kämen. "Die Kinder brauchen die Lehrer genauso – für die Kinder muss eine Situation hergestellt werden, die den Kindern nicht die Zukunft raubt."
Einmal mehr warnt Wenisch davor, alle Publikationen, die als "Studie" bezeichnet werden, auch als solche ernst zu nehmen. Viele Berichte seien eher "ein anekdotischer Bericht". Auf Basis solcher Daten könne man aber keine medizinischen Entscheidungen treffen – ansonsten laufe man Gefahr, einen großen Fehler zu machen.
Kein qualvolles Sterben
Wenisch rückte auch die Behauptung zu Recht, dass es auf Covid-Stationen zu qualvollen Erstickungstoden kommt. Hier habe man die Fehler anderer Länder vermeiden können. Patienten, die ohne Angehörige und völlig alleine auf Spitalsgängen sterben, gebe es in Wien so nicht. "Und nur ein Bruchteil der Patienten wird intubiert."
Scharf reagiert der Arzt auf die Frage, ob der medizinische Aufwand in der Corona-Krise gerechtfertigt sei, weil viele Menschen ja möglicherweise nicht an, sondern mit Covid-19 sterben würden und mittlerweile die wirtschaftlichen Folgen der Krise enorm seien. „Das ist eine verfehlte Diskussion", sagt Wenisch. "Wir sind in einer Pandemie, man sollte die verschiedenen Toten nicht gegeneinander aufrechnen. Bei Covid-19 sind schwerste Verläufe möglich, es kann auch 30-Jährige treffen." Auch das Abwiegen Wirtschaft gegen Gesundheit müsse sofort beendet werden.