Corona: Touristiker schießen sich auf Mückstein ein
Die verschärften Regeln für Tourismus, Wirte und Hoteliers haben heute bei Branchenvertretern zu einem Sturm der Entrüstung geführt. Zielscheibe war dabei Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne), wie wohl die Entscheidungen von der ganzen Bundesregierung getragen wurden.
Besonders heftig attackiert ausgerechnet ein ÖVP-Vertreter das Vorgehen der Regierung bei der Pandemiebekämpfung: ÖVP-Tourismussprecher und Seilbahnen-Vertreter Franz Hörl.
Freilich richtet Hörl seine Kritik nicht gegen die eigene Partei, die die Verschärfungen am Mittwoch in der Regierung mitbeschlossen hatte, sondern ausschließlich gegen den Grünen Gesundheitsminister Mückstein. Die "Schlangenlinien" des Ministers würden "Schäden" verursachen, so Hörl.
"Ob aus Unwissenheit, aus Wirtschaftsfeindlichkeit oder aus Ignoranz ist dabei sekundär. Was bleibt, ist ein Desaster", so Hörl in einer Aussendung. Man kritisiere dabei nicht die Maßnahmen an sich - "das machen mittlerweile arrivierte Experten", sagt Hörl in einer Aussendung, aber: "In weniger als einer Woche hat der zuständige Gesundheitsminister seine eigenen Ankündigungen und Verordnungen so oft geändert, gelockert und schließlich verschärft, dass sich nicht einmal mehr erfahrene Juristen auskennen."
"Unfähigkeit und Ignoranz"
Mücksteins "Chaos-Verordnungen" würden Vertrauen zerstören, "nützen wenig bis gar nichts" und seien "unerträglicher Ausdruck von Unfähigkeit und Ignoranz", schießt der Zillertaler Hotelier scharf gegen den Minister.
Hörl spricht sogar von "Alleingängen" des Gesundheitsministers - und dass es nicht sein könne, dass er diese fortführe. Der ÖVP-Tourismussprecher fordert ein innerkoalitionäres Machtwort: Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sei gefordert, hinsichtlich des Gesundheitsministers "seinen Einfluss geltend zu machen".
Auf die Frage, ob er den Rücktritt des Ministers verlange, sagte der ÖVP-Mandatar: "Ich bin nicht Teil der Regierung. Ich habe das nicht zu entscheiden".
Mehr als ein Dorn im Auge sind Hörl auch die Beschränkungen über die Feiertage: "Wer meint, die Infektionslage mit dem Verbot von Silvesterfeiern in Hotels und Gaststätten zu verbessern, der erreicht das Gegenteil. Man verdrängt die Menschen aus Orten, an denen der 2-G-Status kontrolliert wird, in das absolut unkontrollierbare private Umfeld". In einem Hotel oder der gehobenen Gastronomie die Sperrstunde auf 22 Uhr vorzuverlegen, sei "lebensfremd und degradiert unsere Häuser zu Gefängnissen."
Im Kanzleramt will man auf Anfrage des KURIER auf die Äußerungen Hörls nicht eingehen.
Gesundheitsministerium: "Alle Entscheidungen gemeinsam getroffen"
Im Gesundheitsministerium wird zu der harschen Kritik erklärt: Die neue Krisenkoordination GECKO sei beauftragt worden, mit Blick auf die Omikron-Variante Empfehlungen abzugeben. Diesen Empfehlungen sei man gefolgt.
Und: „Die Bundesregierung trifft sämtliche Entscheidungen betreffend Pandemiemanagement gemeinsam und in Abstimmung sowie unter Einbeziehung der Bundesländer.“
"Mückstein soll Ministeramt übergeben"
Auch in der Gastronomie und Hotellerie ist der Zorn über die neuen Regelungen groß. WKÖ-Obmann der Gastronomie, Mario Pulker, sagt am Donnerstag im Ö1-"Morgenjournal", Gesundheitsminister Mückstein solle sich überlegen, "ob er nicht zu seinem angestammten Amt zurückkehrt und das Ministeramt sein lässt und es jemandem anderen übergibt, der das sicher besser machen könnte".
Stefan Ratzenberger, Obmann des Verbandes Österreichischer Nachtgastronomen (VÖNG), fordert den sofortigen Rücktritt von Mückstein.
Walter Veit, Vizepräsident der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV), wiederum meint heute: "Der Schaden ist enorm und er ist auch schon eingetreten." Die Stornowelle sei bereits im Rollen, da mit der gestrigen Entscheidung des Beratungsgremiums Gecko für den Tourismus wichtige Herkunftsländer zu Variantengebieten erklärt wurden. Aus Variantenstaaten kann man nur mit drittem Stich ohne Quarantäne einreisen.
Die Branchenvertreter sprachen sich für eine Aufstockung der Hilfsmaßnahmen seitens der Regierung aus.
Statistik: Wintersaison deutlich unter Vorkrisenniveau
Bei all den Emotionen sorgt heute die Statistik Austria für einen zahlenbasierten Überblick: Der Start in die Wintersaison verlief bisher deutlich unter Vorkrisenniveau. "Im Vergleich zum Vorjahr, in dem bereits ab 3. November ein Lockdown galt, verzeichneten die heimischen Beherbergungsbetriebe im November 2021 zwar drei Mal so viele Nächtigungen, das sind allerdings um 38 Prozent weniger als im November 2019 vor der Corona-Krise", so Statistik Austria-Chef Tobias Thomas.
Die Nächtigungen inländischer Gäste lagen mit 1,47 Mio. um 95 Prozent über dem Vorjahresmonat, aber um 36,2 Prozent unter November 2019. Die Hotelbelegungen ausländischer Gäste erreichten 1,82 Mio. (plus 461,7 Prozent zu 2020) und liegen damit um 39,4 Prozent unter November 2019. Nach der Herkunft der ausländischen Gäste war Deutschland auch im November 2021 der wichtigste Markt für den heimischen Tourismus (0,87 Mio. Nächtigungen), gefolgt von Polen mit 0,12 Mio. Nächtigungen und der Schweiz (inkl. Liechtenstein) mit 0,09 Mio. Übernachtungen.
Kritik auch von Tirols Platter
Auch Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP), der ansonsten hinter den Maßnahmen steht, hat am Mittwoch Kritik an der Sperrstunden-Regelung geäußert. "Einige Bundesländer", darunter Tirol, hätten sich in der Sitzung klar gegen eine Vorverlegung ausgesprochen, so Platter, der wie Hörl argumentierte, dass sich das Infektionsgeschehen, dadurch in den privaten Bereich verlagere.
Scharfe Geschütze hat auch der Tourismusobmann in der Tiroler Wirtschaftskammer und ÖVP-Landtagsabgeordnete Mario Gerber aufgefahren, wobei dieser die Bundesregierung als Gesamtes ins Visier nahm. Gerber zeigte sich "entsetzt", sprach von einem "quasi Lockdown" für Tourismusbetriebe und von Entscheidungsträgern, die - vor allem wegen der Sperrstunden-Regelung - "jeglichen Bezug zur Bevölkerung verloren" hätten.
Der ÖVP-Politiker forderte ein Hilfspaket für all jene Betriebe "denen man erneut den Boden unter den Füßen weggezogen hat". Auch die mediale Vorgangsweise der türkis-grünen Bundesregierung stieß Gerber sauer auf: "Die Bundesregierung hat zwischenzeitlich nicht mal mehr den Anstand, die Maßnahmen selbst zu verkünden".
Unter Tirols Touristikern war zuletzt vor allem auch wegen der Einstufung von Großbritannien, Norwegen, Dänemark und den Niederlanden - allesamt wichtige Märkte - als Virusvariantengebiete, die Sorge um die Wintersaison gewachsen. Dass dreifach geimpfte Gäste aus Variantenstaaten nun ohne Quarantäne einreisen dürfen, wurde als Entgegenkommen dem Tourismus gegenüber gewertet. Doch aus vielen Regionen war inzwischen - zumindest für die Weihnachfeiertage - von einer eher tristen Buchungslage zu hören.