Politik/Inland

Frauenhaus-Chefin: "Sind von echter Gleichstellung weit entfernt"

In der aktuellen Situation von Frauen in Österreich sieht die Geschäftsführerin des Vereins Autonome Frauenhäuser (AÖF), Maria Rösslhumer, wenig Positives. "Ich glaube, dass wir noch sehr, sehr weit entfernt von einer echten Gleichstellung sind", resümierte sie im APA-Interview im Vorfeld des Frauentages am 8. März. Um Gewalttaten zu reduzieren, forderte sie unter anderem eine bessere Gefährlichkeitseinschätzung von Tätern.

Sichtbar werde die fehlende Gleichstellung der Geschlechter etwa durch den Gender Pay Gap. Die Corona- und Wirtschaftskrise würden Frauen in die Abhängigkeit zurückdrängen. "Es braucht einen gesellschaftlichen Klimawandel", kritisierte Rösslhumer ein immer noch vorherrschendes patriarchales System. Auch wenn junge Frauen oft denken würden, selbstbestimmt leben zu können - spätestens, wenn ein Kind auf die Welt komme, seien sie darauf angewiesen, dass sich ihr Partner bereit zeige, Verantwortung zu übernehmen.

Femizide: Mehr Empörung gefordert

31 Femizide zählten die AÖF im Jahr 2021, von 29 ermordeten Frauen war in der am Dienstag veröffentlichten Kriminalstatistik die Rede. Egal, welche Zählweise verwendet wird, für Rösslhumer sind es zu viele. Sie forderte mehr Empörung und Aufschrei bei jedem Femizid. Wird eine Frau ermordet, habe man derzeit oft das Gefühl, es sei "eh nur eine Frau" gewesen.

Wie könnte man dieser Situation entgegenwirken? Die Gefährlichkeit von Gewalttätern müsse besser eingeschätzt, bei Wiederholungstätern besser hingeschaut und die Opferseite nicht außer Acht gelassen werden, empfahl Rösslhumer. Mit der Polizei mache man zwar auch viele positive Erfahrungen, einige Frauen würden sich aber darüber beschweren, dass die Polizei nichts getan hätte, um ihnen zu helfen. Werden sie auch noch weggewiesen, weil sie sich gegen ihren gewalttätigen Mann wehren, sei das "fatal". Die Polizei müsse gut zwischen Täter und Opfer differenzieren und die Kinder miteinbeziehen, sagte Rösslhumer.

"Gesamtpaket fehlt"

Bei neuen Gewaltschutzmaßnahmen der Regierung seien Experten früher eingebunden worden. Jetzt werde sie zwar zu Gewaltschutzgipfeln eingeladen, Diskurs und Austausch würden dort aber fehlen. Mit einigen Maßnahmen sei sie deshalb weniger zufrieden, etwa mit der verpflichtenden Täterberatung - seit September 2021 müssen sich Gefährder sechs Stunden lang beraten lassen. Rösslhumer hätte sich längere Programme gewünscht.

Auch zur geplanten Notruf-App äußerte sie sich kritisch, die genaue Funktion der angekündigten Unterstützungsbeamten ist für sie unklar. Grundsätzlich seien Verbesserungsmaßnahmen aber zu begrüßen, räumte Rösslhumer ein.

In der Frauen- und Gewaltschutzpolitik der Regierung ortete sie "gute Ansätze". So etwa die Ankündigung von Justizministerin Alma Zadic (Grüne), Prozessbegleitung bekannter zu machen. Was allerdings fehle, sei ein Gesamtpaket und ein "Zusammendenken", besonders wenn es um die Obsorge von Kindern geht. "Das Strafgericht muss über das Zivilrechtsverfahren wissen und dass womöglich schon eine Wegweisung stattgefunden hat", forderte sie. Nur so könne es für Gewalttäter Konsequenzen geben. Rösslhumer kritisierte, "dass Gewalt bei den Verfahren einfach ausgeblendet wird". Gewalttätige Väter könnten Behörden manipulieren, Frauen würden wegen Obsorgeverfahren oft Jahre und viel Geld verlieren. Opfer seien die Kinder. Sie sprach sich außerdem gegen die Doppelresidenz und die automatische gemeinsame Obsorge beider Elternteile aus.

Geld reicht "ganz sicher nicht"

Angesprochen auf den finanziellen Aspekt, merkte Rösslhumer an, dass das Gewaltschutzbudget der Regierung "ganz sicher nicht" reiche; die im Vorjahr budgetierten 25 Millionen Euro für den Gewaltschutz seien "ein Tropfen auf den heißen Stein". Laut einer EU-Studie aus dem Jahr 2011 betragen die Folgekosten von Gewalt in Österreich circa 3,7 Milliarden Euro. Um etwas daran zu verändern, müsse man in Prävention investieren. Die Forderung von Gewaltschutzorganisationen nach einer Finanzspritze von 228 Millionen Euro im Jahr seien also schon realistisch, es fehle allerdings der politische Wille.

In den Autonomen Frauenhäusern herrsche derzeit ähnlich dem Vorjahr eine geringere Auslastung, unter 3.000 Frauen und Kinder werden betreut. "Die Statistik ist sehr positiv, nur ein Drittel der Frauen geht wieder zurück zu ihren Misshandlern", berichtete die Geschäftsführerin. Manche geben ihrem Mann eine neue Chance oder glauben, es finanziell alleine nicht zu schaffen. Kommt es wieder zu Gewalt, können sie ins Frauenhaus zurückkehren. "Man muss den Frauen immer wieder vermitteln: Sie sind nicht schuld an dieser Gewalt", so Rösslhumer.