Politik/Inland

FPÖ will mit "Raus aus der EU" gegen Stronach punkten

Jahrelang ist es für Heinz-Christian Straches FPÖ wie geschmiert gelaufen; ein Wahlerfolg hat sich an den nächsten gereiht – die Blauen hatten das Populismus-Monopol. Und dann kam Frank.

Der Milliardär aus Kanada wildert in jenem Reservoir, das Strache als das seine erachtete – jenem der Unzufriedenen, der Wohlstandsverlierer, der Protestwähler.

Dass Straches Kärntner Bruderpartei so tief gestürzt ist, hat Stronach mitverschuldet. Selbst in Niederösterreich, wo die Blauen zuletzt mit knapp mehr als 10 Prozent dahindümpelten, hat er sie zwei Prozentpunkte gekostet. Was tun, damit es nicht noch weiter nach unten geht? Vor allem nicht bei der Herbstwahl im Bund?

Strache drängt seine Mannen zu forscherem Auftritt. „In der Materialschlacht zwischen Stronach und Erwin Pröll sind unsere Kandidaten zu passiv und zu wenig angriffig gewesen“, analysiert der FPÖ-Obmann im KURIER-Gespräch. Die regionalen Frontleute müssten es ihm gleich tun: „Ich habe meinen persönlichen Stil, den man bei der Nationalratswahl und der Wien-Wahl gesehen hat. Der ist auch in den Ländern zu leben. Es braucht Mut.“ Zudem müsse Schluss sein „mit Arroganz und Disziplinlosigkeit“ , die es in Kärnten gegeben habe: „Demut, Bodenhaftung, Bürgernähe sind gefragt.“ Inhaltlich werde sich seine Partei „noch klarer positionieren. Wir werden die Botschaften vertiefen – mit Kernigkeit und Kantigkeit.“

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„Raus aus der EU!“

Stronach macht Strache ja vor allem europapolitisch Konkurrenz. Da ist für den steirischen FPÖ-Vormann Gerhard Kurzmann anzusetzen: „Es ist klar, dass die FPÖ nicht zur Tagesordnung übergehen kann. Eine der Konsequenzen ist aus meiner Sicht, die Unterschiede zu Stronach stärker herauszuarbeiten.“ Die EU-Kritik sei schärfer zu kommunizieren: „Etwa, indem wir eigene Kampagnen machen.“ Seine Partei müsse „bei der EU-Kritik konsequenter sein. Wenn es so weitergeht, dass Österreich Subventionszahlungen an die südlichen Länder zahlt, sollten wir nicht nur vom EU-Austritt reden, dann müssen wir auch konkrete Schritte für den Austritt unternehmen. Damit die Wähler sehen: Wir meinen es ernst.“

Parteivize Norbert Hofer befindet ebenfalls: „Wir müssen uns auf die Kern-Themen EU, Zuwanderung und Soziales konzentrieren.“ Den 80-jährigen Polit-Neuling versucht er – wie viele seiner Parteifreunde – kleinzureden: „Die Gefahr Stronach wird überschätzt. Bei der letzten Nationalratswahl ist Jörg Haider gegen die FPÖ angetreten. Er war in jeder Hinsicht ein gewichtigerer Gegner als Stronach.“

Der burgenländische FPÖ-Chef Johann Tschürtz sieht das anders: „Stronach nimmt zu 80 Prozent der FPÖ Stimmen weg. Wir haben ihn unterschätzt. Ich dachte, dass seine ,Gesprächskultur‘, bei TV-Diskussionen jedem ins Wort zu fallen, nicht ankommt. Ich dachte, die Leute durchschauen, dass er ein Patriarch ist, der will, dass alle sitzen, wenn er ,Platz‘ sagt.“

Was soll ihm die FPÖ entgegenhalten? „Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit und Respekt vor anderen.“ Insofern sei auch mit Stronach manierlich umzugehen. „Seinen Hintergrund müssen wir aber aufzeigen“, meint Oberösterreichs FPÖ-Obmann Manfred Haimbuchner. „Stronach tut so, als wäre er nie Teil des Establishments gewesen. Er war es.“ Die FPÖ habe ihm auch Wesentliches voraus: „Er hat keine Parteistrukturen, wir haben das – auch wenn wir nachbessern müssen. Wir brauchen flächendeckend Ortsgruppen.“

À la longue, so glauben – oder hoffen – alle Spitzen-Blauen, werde sich das Problem Stronach erledigen. „Er ist kein nachhaltiger Mitbewerber. Er wird nicht auf Dauer vorhanden sein“, sagt Strache. „Er fliegt ja schon heute wieder nach Kanada ab.“ Tschürtz fügt an: „In ein paar Jahren ist Stronach so alt wie der Papst. Sogar der musste zurücktreten.“ Politik sei ein Marathonlauf, urteilt Haimbuchner. „Den werden wir gewinnen.“

Zumindest in einem Punkt hat sich Niederösterreichs ÖVP leicht getäuscht: „4. März. Hier fliegt ihre Stimme“, hatten die Schwarzen im Wahlkampf plakatiert – und damit auf Frank Stronachs Leben als Privatier in Kanada aufmerksam machen wollen.

Den Gefallen tut Stronach der ÖVP erst heute: Nachdem er am Sonntag die Wahlpartys in Klagenfurt und St. Pölten sausen ließ, trat er am Montag im Golfclub Fontana gemeinsam mit seinen Kandidaten in Niederösterreich vor die zahlreich erschienene Presse. „Ich fliege erst am Dienstag nach Kanada“ . Warum er denn nicht als etablierter Politiker einfach seinen Wohnsitz nach Österreich verlege? „Das ist nicht so wichtig, hier vor Ort zu sein“, antwortete er ausweichend. Er habe „weltweite Tätigkeiten“.

Tatsächlich ist es vor allem steuerlich wichtig, dass Stronach heute wieder für ein paar Wochen nach Kanada abdüst. Denn sobald die Finanz Stronachs „Mittelpunkt des Lebensinteresses“ in Österreich vermutet, wird er hier steuerpflichtig. Lässt sich dieser Mittelpunkt nicht so einfach feststellen, so achtet man laut Finanzministerium auf den „gewöhnlichen Aufenthalt“ – und prüft, wo sich der Steuerpflichtige länger als sechs Monate aufhält.

Bevor er den Jet bestieg, zeigte er seinen Parteifreunden einmal mehr, wer der Herr im Haus ist (siehe unten).

Mehr erwartet

Sein Auftritt am Tag nach der Wahlpremiere ließ mehr denn je viele Fragen offen. Wie er das Wahlergebnis einschätzt? „Man erwartet sich immer mehr“, so Stronach. Es wäre besser gewesen, wenn man die Absolute von Erwin Pröll verhindert hätte. Er bleibe dennoch zuversichtlich: „Die Bewegung hat jetzt ein Hoch. Ich bin sehr optimistisch für die Bundeswahl.“

Mit 11,2 Prozent in Kärnten und 9,8 Prozent in Niederösterreich schaffte das Team Stronach zwar auf Anhieb den Einzug in beide Landtage. Als „durchschnittlich“ wertet aber Politologe Peter Filzmaier das Ergebnis, Thomas Hofer nennt es „respektabel, aber nicht berauschend“.

Stronachs Vorläufer wie Hans-Peter Martin oder Fritz Dinkhauser schafften auf Anhieb mehr: Dinkhausers „Liste Fritz“ erzielte beim ersten Antreten in Tirol 2008 stolze 18,3 Prozent, die „Liste Dr. Martin“ schaffte bei der EU-Wahl 2004 rund 14 Prozent.

Auftritte von politischen Siegern sehen daher meist anders aus als die eher wortkargen Kommentare des Milliardärs. „Die Bewegung wird wachsen wie eine Lawine“ , proklamierte er in Oberwaltersdorf. Mehr als die angekündigten 25 Millionen Euro will er aber im Superwahljahr nicht mehr in seine Bewegung investieren. Fest stehe zumindest: „Ich bleibe Spitzenkandidat für die Nationalratswahl im Herbst.“

Duell mit FPÖ

Bis dahin will er auch ein Parteiprogramm haben, das bereits dieser Tage versprochen war. Stronach will es nun erst nach seiner Rückkehr aus Kanada Anfang April präsentieren. Bis dahin bleibt noch Zeit , die Abgrenzung zur FPÖ herauszuarbeiten.

Seine neue Rolle als FPÖ-Schreck wollte Stronach trotz des historischen Debakels von Haiders Erben nicht kommentieren. Und wie sieht er die Tatsache, dass Europa im kommenden Wahlkampf eine tragende Rolle spielen wird? „Vergiss Brüssel“, tönte Stronach – und hatte damit zum Thema EU schon alles gesagt. Damit ließ er seine Parteigänger für ein paar Wochen wieder reichlich ratlos zurück.

Hintergrund: Stronach sucht dringend neue Überläufer fürs Parlament

Wer beim Team Stronach das Sagen hat, zeigte sich am Montag in Niederösterreich. Nachdem Sonntagabend feststand, dass man einen Regierungssitz erobert hatte, erklärte Stronachs Nr. 3 in NÖ, Elisabeth Kaufmann-Bruckberger: „Niederösterreich wird wieder einen Gabmann in der Regierung haben.“

Montagmittag stoppte Frank Stronach jedoch Ernest Gabmanns Träume vom Landesrat (siehe auch hier): „Wir brauchen eine Dame als Landesrätin, die viel Erfolg hat in der Politik“, meinte Stronach – und schickte seine Nationalratsabgeordnete Kaufmann-Bruckberger nach St. Pölten. Auf Nachfrage hieß es dann, der Wechsel sei noch nicht fix. Schließlich würde Stronach durch ihren Wechsel den Klubstatus im Nationalrat wieder verlieren.

„Wir haben jetzt drei Wochen Zeit, einen Landesrat zu nominieren“, erklärte Klubobmann Robert Lugar. Bis dahin versuche man, Nationalratsabgeordnete zu einem Wechsel zum Team Stronach zu überreden. Auch in den Bundesländern Salzburg und Tirol sucht Stronach noch Leute. Ein Antreten in Salzburg ist weiter offen, in Tirol sucht man einen Spitzenkandidaten. Stronach: „Wenn sich die richtigen Leute zusammentun, werden wir sie unterstützen. Das wird aber eine Zeit brauchen.

Das Wort Demut hat man aus dem Mund eines FPÖ-Politikers schon lange nicht mehr gehört. Am Tag nach der historischen Niederlage in Kärnten empfiehlt FPÖ-Chef Strache erstmals diese, in der Politik generell wenig verbreitete Tugend. Aber wollen wir uns nicht zu viel erwarten. In der FPÖ geht es jetzt offenbar darum, wie sehr sich der Wahlverlierer radikalisieren wird, um die Enttäuschten und Wütenden zurückzugewinnen, die in Frank Stronach einen neuen Helden gefunden haben.

Schlimm für die FPÖ war ja, dass sie am Montag sowohl in ihrem Machtzentrum Kärnten als auch in der niederösterreichischen Opposition verloren hat. Die patzige Event-Politik versagte ebenso wie Frau Rosenkranz, die sich vor Jahren mit ihrer Distanzierung vor dem Nationalsozialismus sehr schwer getan hatte.

So wie es aussieht, wird die FPÖ nach Minuten der Demut für schrille Schreie sorgen. Als generelles Feindbild werden wieder einmal „die Ausländer“ herhalten müssen. Während Stronach auf diesem Gebiet keine Konkurrenz darstellt, wird der Kampf um die radikalste Anti-EU-Ansage noch ausgetragen. Hier hat sich der steirische FPÖ-Chef hervorgetan, der jetzt von einem EU-Austritt spricht. Parteichef Strache spekulierte zuletzt gegenüber dem KURIER nur mit einem Euro-Austritt.

Aber auch hier könnte es sein, dass Stronach, jedenfalls für eine gewisse Wählergruppe, attraktiver ist. Seine Theorie, jedes Land solle seinen eigenen Euro haben, klingt zwar für Ökonomen allzu kraus, aber in Wirtschaftsfragen wird man eher Frank als HC trauen.

Freilich stellt sich die FPÖ mit einer weiteren Radikalisierung ins Winkerl. Nach der Salzburger Wahl könnte der Sieger einen Partner brauchen. Eine FPÖ, die die EU verlassen will, wird dafür nicht infrage kommen.