EZB "bezahlte" Großteil von Österreichs Neuverschuldung
Von Michael Hammerl
„Koste es, was es wolle“, sagte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Beginn der Pandemie. Ganz in Anlehnung an das berühmte „Whatever it takes“, 2012 ausgesprochen vom damaligen Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi. Die von der Eurokrise verunsicherten Finanzmärkte beruhigten sich nach Draghis Sager – heute spricht man vom Draghi-Effekt.
Auch Kurz könnte man attestieren: Die große Pleitewelle blieb bisher aus. Doch das liegt wohl eher nicht am „Kurz-Effekt“, sondern vor allem daran, dass die EZB ihren Kurs seit der Eurokrise nicht maßgeblich geändert hat. Sie kauft nach wie vor Staatsanleihen zu Niedrig- bis Negativzinsen.
Damit übernimmt sie indirekt Staatsschulden und stabilisiert die Finanzmärkte, indem sie wiederum kräftig Geld druckt. „Die Staaten der Eurozone verlassen sich seit Jahren darauf“, sagt Heike Lehner, Ökonomin des wirtschaftsliberalen Think Tanks Agenda Austria.
Die unkonventionelle Maßnahme treibt mittlerweile außergewöhnliche Blüten. Wer etwa Griechenland Geld leiht, muss dafür bezahlen. Die Renditen für griechische Staatsanleihen sind nämlich negativ. Nimmt Athen – mit 210 Prozent seiner Wirtschaftsleistung verschuldet – also Kredite auf, um Schulden zu finanzieren, erhält es dafür Geld.
Mehr als 100 Prozent
Die EZB hielt bereits Ende 2020 rund 21 Prozent der Staatsschulden im Euroraum. Davon profitiert auch Österreich. Eine Berechnung der Agenda Austria zeigt: Im ersten Pandemie-Jahr kaufte die EZB Staatsanleihen in Höhe von 80 Prozent der heimischen Neuverschuldung.
Dieser Wert lag sogar knapp unter dem EU-Schnitt von 90,3 Prozent: Irland, Italien, Niederlande und Portugal kaufte die Zentralbank mehr als 100 Prozent ihrer neuen Schulden ab. „Das ist deshalb möglich, da die Zentralbank auch die Schulden der vergangenen Jahre kaufen kann. Somit kann die Höhe der neu aufgekauften Schulden in einem Jahr höher als die tatsächliche Neuverschuldung ausfallen“, erklärt Lehner.
Die Ökonomin geht nicht davon aus, dass die EZB kurzfristig ihren Kurs ändern wird, den Staaten der Eurozone über diesen Weg finanziellen Spielraum zu schaffen. Das bringe zwangsweise negative Effekte mit sich, meint Lehner: „Wenn die EZB weiterhin Staaten über diesen Weg finanziert, werden sie nicht die Reformen durchführen, die wir brauchen.“
Diese Marschrichtung wird auch im Kleinen sichtbar. Die Null- bis Negativzinsen an den Finanzmärkten bekommen nämlich die Sparer zu spüren. „Wer sein Geld auf ein Sparbuch legt, verliert durch die Negativzinsen Geld“, konstatiert Lehner.