Politik/Inland

Experte Hofer: SPÖ versucht "Feuermauer" gegen FPÖ zu bauen

Die von SPÖ und Neos zuletzt schärferen Worte beim Thema Asyl sind laut Politberater Thomas Hofer den äußeren Umständen bzw. der Stimmung im Land geschuldet. Zwar gebe es gegenüber 2015 auch Themen abseits der Migration; wegen der steigenden Asylanträge gewinne diese aber an Bedeutung. Bei der SPÖ gehe es darum, eine "Feuermauer" gegen die FPÖ aufzubauen - es gelte, potenzielle Wähler nicht mit einem zu soften Kurs zu verprellen. Die Neos würden auf Ex-ÖVP-Stimmen abzielen.

Während Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger bereits Ende Oktober bei der Mitgliederversammlung in Wien ungewohnte Töne angeschlagen hatte ("Wir können uns keine offenen Tore leisten, nein, das schaffen wir jetzt in diesen Krisenzeiten nicht."), schwenkte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner erst am vergangenen Wochenende auf eine schärfere Rhetorik um. Zuvor hatte Burgenlands Landesparteichef Hans-Peter Doskozil einmal mehr auf einen restriktiveren Asyl-Kurs gedrängt; darüber hinaus sorgte er mit dem Hinausspielen einer von seiner Landespartei beauftragten Umfrage für Aufsehen, wonach die Bundes-SPÖ mit ihm an der Spitze besser abschneiden würde als mit Rendi-Wagner.

Am vergangenen Wochenende sagte die SPÖ-Vorsitzende nun in der Kronen Zeitung, zwar dürfe Österreich nicht wie Ungarn agieren und die ankommenden Flüchtlinge einfach "durchwinken". "Aber es kann nicht sein, dass Österreich das Land ist, das 90.000 Asylanträge hat, und Ungarn hat 50. Das zeigt, dass das Asylsystem in Europa gescheitert ist." Und: "Es kann nicht sein, dass Österreich alles schultern muss." Ähnliche Töne kamen etwa auch von der SPÖ Oberösterreich, die einen "verpflichtenden Integrationsdienst" für junge Asylwerber mit Aussicht auf positiven Bescheid vorschlug.

Mit diesen von der SPÖ-Spitze ungewohnten Aussagen, aber auch jenen von Neos-Chefin Meinl-Reisinger versuche man, "der wahrgenommenen Mehrheitsmeinung zu entsprechen oder näher zu rücken", sagte Polit-Berater Hofer im APA-Gespräch. Es gelte, ein "quasi Alleinstellungsmerkmal" der FPÖ abzuschwächen. Denn ansonsten gäbe es eine "noch idealere Ausgangssituation für die FPÖ" für künftige Wahlen, insbesondere auch die nächste Nationalratswahl (regulärer Termin im Herbst 2024). Meinungsforscher Peter Hajek seht dies ähnlich: "Es ist wahrscheinlich ein Signal an die Bevölkerung: 'Wir haben verstanden'".

In der SPÖ seien die Aussagen auch bis zu einem gewissen Grad mit den innerparteilichen Querelen rund um Burgenlands Landesparteichef Hans-Peter Doskozil und dessen "Attacken" auf die Bundes-SPÖ zu erklären, sagte Hofer. Dass mit den jüngsten Aussagen von Rendi-Wagner die internen Reibereien mit Doskozil ausgestanden sind, glaubt er nicht, zumindest nicht dauerhaft: "Diese Querelen sind da", Doskozil habe es ja "schon jahrelang de facto ausgesprochen, dass er sich für den besseren Spitzenkandidaten hält - und was die Themenkonjunktur betrifft, ist er auch glaubwürdiger." Es werde aufgrund von einigen Interviews der Parteichefin "nicht der große Aha-Effekt" bei der Bevölkerung eintreten, so Hofer. Die Frage sei auch, "wie glaubwürdig ist das". Auch werde Rendi-Wagner beim Thema Asyl bzw. Migration nicht so deutlich formulieren können wie Doskozil, denn sie müsse ja auch andere Zielgruppen bedienen, etwa die Wiener SPÖ, die einen anderen Kurs verfolgt.

Auch Hajek sieht bei der SPÖ-Spitze ein "Glaubwürdigkeitsthema". "Aber auf der anderen Seite muss man manche Gegebenheiten eingestehe und von dort aus eine neue Position erarbeiten." Permanent gegen den Strom schwimmen" gehe nicht.

"Bei der SPÖ geht es auch darum, eine Art 'Feuermauer' gegenüber der FPÖ aufzubauen", sagte Hofer. Bis vor kurzem habe man in der SPÖ nur über die eigenen Themen reden wollen, etwa die Teuerung, die Leistbarkeit des Wohnens - "und ignorierte geflissentlich das Thema Migration". Und Parteichefin Rendi-Wagner hatte noch Ende August im ORF-Sommergespräch auf die Frage, ob sie eine dramatische Situation sehe, klar mit "Nein" geantwortet. Gleichzeitig warf sie damals der ÖVP vor, das Thema immer dann "aus dem Hut" zu holen, wenn die Umfragen schlecht sind, erinnerte Hofer. Freilich blieb Rendi-Wagner auch im Krone-Interview vom Wochenende dabei, dass es keine Asylkrise gibt - denn es gebe heuer erst 17.000 bewilligte Asylanträge. Demgegenüber aber stünde die Zahl von 60.000 abgelehnten Asylanträgen. "Das große Problem ist die irreguläre Migration", so die Parteichefin, dort müsse man ansetzen.

Die Partei trete jetzt in eine "andere Phase", sagte Hofer, man könne das Thema jetzt nicht mehr ignorieren. Daher stelle man "auf restriktiver um". "Da geht es schon darum, potenzielle Zielgruppen nicht mit einer zu soften, zu weichen und jedenfalls nicht genügend restriktiven Linie zu verprellen."

Man blicke bei allen Parteien bereits auf die kommenden Nationalratswahlen, so der Experte. Die Migration werden zwar nicht so wie beim Nationalratswahlkampf 2017 allein dominierendes Thema sein, "aber es wird stärker". Zwar werde die SPÖ bei der FPÖ nicht wirklich etwas holen können - aber sie könne versuchen, von bei der Nationalratswahl 2019 zur ÖVP abgewanderte Wähler und Wählerinnen wieder für die Sozialdemokratie zu gewinnen. Denn Ex-ÖVP-Chef Sebastian Kurz sei es etwa im Lager der Pensionisten gelungen, auch in SPÖ-Wählerbereiche einzudringen, so Hofer. Bei den Neos wiederum gehe darum, Stimmen von ehemaligen ÖVP-Zielgruppen zu gewinnen.