Europatag: Van der Bellen warnt vor Liebäugeln mit EU-Austritt
Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat angesichts des Europatages vor dem "Liebäugeln" mit der Idee eines österreichischen EU-Austritts (Öxit) gewarnt. "Allein die Idee eines Öxit ist gefährlich. Auch nur mit so einem Gedanken zu liebäugeln, kann ganz schnell nach hinten losgehen. Wie schnell - das hat der Brexit gezeigt", sagte Van der Bellen bei der Europa-Gala am Dienstag in den Wiener Sophiensälen.
ÖVP, SPÖ, Grüne, FPÖ und NEOS sprachen sich mit unterschiedlichen Schwerpunkten für eine Weiterentwicklung und Stärkung der EU aus. "Österreich wird weiter seinen Beitrag leisten, das Erfolgs- und Friedensprojekt EU positiv weiterzuentwickeln", betonten Bundeskanzler ÖVP-Chef Karl Nehammer und Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) laut Aussendung. Österreich werde wenn notwendig "Fehlentwicklungen schonungslos aufzeigen", fügte der Kanzler hinzu.
Nehammer: EU weiterentwickeln
"Gerade im Kampf gegen die illegale Migration muss es seitens der EU-Institutionen mehr Tempo geben", so Nehammer in einer gemeinsamen Erklärung mit Edtstadler und ÖVP-Delegationsleiterin Angelika Winzig. "All jene Herausforderungen, die besser in den Mitgliedstaaten bewältigt werden können, sollten aber in nationaler Verantwortung bleiben. Mehr Subsidiarität führt zu einem stärkeren Europa.
Ganz nach dem Motto 'In Vielfalt geeint'", betonte Nehammer. Es gelte "alles daran zu setzen, die europäischen Werte zu verteidigen, unseren Wohlstand zu sichern und den in Gang befindlichen Wandel zu nutzen, um die EU weiterzuentwickeln", so Edtstadler. Winzig betonte, der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine habe deutlich vor Augen geführt, wie wichtig es sei, "als europäische Familien zusammenzustehen und unsere Werte zu verteidigen".
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner forderte hingegen eine starke, handlungsfähige und soziale EU. "Stärkung und Erhalt von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und europäischen Werten ist das Fundament der EU, um das es jeden Tag zu kämpfen gilt", betonte Monika Vana, Delegationsleiterin der Grünen im Europarlament. Nur ein gemeinsames EU-Heer könne Europa schützen, sagte NEOS-Europaabgeordnete Claudia Gamon.
Rendi-Wagner: Abhängigkeit der EU in Energiefragen
Die großen Herausforderungen der EU seien neben dem Krieg in der Ukraine die Teuerung und die Abhängigkeit der EU in Energiefragen, sagte Rendi-Wagner. Die SPÖ-Chefin betonte die Bedeutung "einer EU, die für Menschenrechte und Freiheit und damit für den Frieden eintritt". Bei der Unabhängigkeit von russischem Gas müsse mehr getan werden. "Wichtig ist ein souveränes Europa, das sich vollständig aus der Energieabhängigkeit löst und die Energiewende sozial verträglich gestaltet", so Rendi-Wagner.
Gleichzeitig müsse mutig vorangeschritten werden, um die Klimaziele zu erreichen. Es sei auch wichtig, die soziale Säule in der EU zu stärken. Die SPÖ-Europaabgeordneten Andreas Schieder und Evelyn Regner forderten konsequente Maßnahmen zum Schutz der europäischen Demokratie und eine gerechtere Verteilung angesichts der hohen Inflation.
Grüne: Einsatz für Demokratie und Unabhängigkeit
Der grüne Europasprecher Michel Reimon forderte einen stärkeren Einsatz für Demokratie und Unabhängigkeit von Diktaturen. "Putin will Europa zerstören und schweißt es zusammen. Er wird daran scheitern - und die FPÖ mit ihm." Vana erinnerte an die Forderungen der EU-Zukunftskonferenz: Europas Bürger und Bürgerinnen wollten "mehr EU, aber auch eine andere EU, wie zum Beispiel eine Sozialunion mit europaweiten Mindesteinkommen".
Neos: Gemeinsame Sicherheitspolitik
Gamon forderte "Mut zu einer gemeinsamen Sicherheitspolitik, Mut zu den Vereinigten Staaten von Europa". Autokraten wie Russlands Präsident Wladimir Putin würden die europäischen Schwachstellen eiskalt ausnutzen. Die Lehren aus diesem Krieg könnten nur zügige Schritte in Richtung der Vereinigten Staaten von Europa mit einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik sein, so Gamon. "Wir dürfen es nicht länger anderen überlassen, unsere Freiheit zu verteidigen. Mit einer gemeinsamen Verteidigungsunion und einer europäischen Berufsarmee sorgen wir für die Sicherheit aller Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union." Ziel müsse neben der EU-Armee vor allem das Ende des Einstimmigkeitsprinzips sein.
FPÖ: "Zentralistischen Superstaat"
FPÖ-Chef Herbert Kickl beklagte zum Anlass des Europatags besonders das Streben nach einem "zentralistischen Superstaat" und forderte den Schutz der Souveränität der EU-Mitgliedsstaaten. "Mit der zukunftsweisenden Idee einer Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl schlug der französische Außenminister Robert Schumann vor 73 Jahren eine Gemeinschaft unabhängiger, souveräner Staaten vor, die besonders auf die Sicherung des Friedens und gemeinsame wirtschaftliche Interessen zur Hebung des Wohlstands abzielte.
Doch von diesem Ursprungsgedanken einer Wirtschaftsgemeinschaft ist heute wenig übriggeblieben", so Kickl in einer Aussendung. "Diese Übergriffigkeit - von der Schuldenunion über die Kriegstreiberei statt Verhandlungsanstrengungen bis hin zum permanenten Rütteln am Einstimmigkeitsprinzip - geht zulasten unserer eigenen Bevölkerung. Österreich ist zwar EU-Mitglied, aber auch ein souveräner Staat - und diese Souveränität müssen wir uns zurückholen", betonte er.
Der FPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament, Harald Vilimsky, sieht seinerseits eine europaweite Kooperation "patriotischer und konservativer Kräfte" als jene Kraft, die den "Einfluss der EU-Zentralisten, die einen Brüsseler Zentralstaat schaffen wollen", unterbinden kann. "Nur gemeinsam können wir gegen ausufernde Migration, den LGBTIQ-Kult Brüssels und die grüne Klimasekte, die bereits großflächig den europäischen Wohlstand zerstört, entgegentreten. Das erwarten unsere Wähler von uns europaweit", so Vilimsky in einer Aussendung.
EU als Player in der globalen Wirtschaft
"Europa ist gefordert, sich gegen die immer stärker werdende Konkurrenz in der globalen Wirtschaft besser zu wappnen", verlangte Mariana Kühnel, Vize-Generalsekretärin der WKÖ. Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), forderte seitens der heimischen Bundesregierung ein klares Ja zu fairem und freiem Handel. Weitere Handelsabkommen stünden an und sollten aufgrund der aktuellen geopolitischen Verschiebungen rasch zum Abschluss kommen.
Der Präsident der Europäischen Bewegung Österreich (EBÖ), Christoph Leitl, forderte die Regierung auf, einen aktiven und konstruktiven Beitrag zu Weiterentwicklung der EU zu leisten. "Nationaler Egoismus und Populismus können die Probleme der Menschen nicht lösen", so Leitl. Europa dürfe nicht als Festung, es müsse als offene Gesellschaft gesehen werden, forderte er.
Zu einer wirklichen Bastion der Menschenrechte müsse die Europäische Union werden, forderte die sozialdemokratische LGBTIQ-Organisation SoHo anlässlich des Europatages.