ÖVP gibt auf: Keine Anfechtung des EU-Renaturierungsgesetzes
Österreich wird keine Nichtigkeitsklage gegen das EU-Renaturierungsgesetz einbringen.
Das bestätigte ein Sprecher von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) gegenüber der APA. Begründet wird das so, dass das dafür notwendige Einvernehmen mit den betroffenen Ministerien „nicht hergestellt werden“ konnte.
Die Frist für die Einbringung der Klage ist mit heute (Dienstag, 22. 10.) abgelaufen. Denn die Möglichkeit, Nichtigkeitsklage einzubringen, besteht ab Veröffentlichung mit einer Frist von zwei Monaten und zehn Tagen. Auf eine Entscheidung des EuGH müsste man dann rund eineinhalb Jahren warten.
Theaterdonner?
Worum geht es: Gegen Ende der Koalition von Türkis-Grün im Juni 2024 erreichte die Stimmung innerhalb der Koalition einen Tiefpunkt. Grund war, dass die grüne Klimaministerin Leonore Gewessler nach viel hin und her beschlossen hatte, der EU-Renaturierungsrichtlinie zuzustimmen. Und das, obwohl sich der Koalitionspartner ÖVP vehement gegen das Umweltschutzgesetz ausgesprochen hatte. Also hatte die ÖVP sofort nach Beschluss eine Nichtigkeitsbeschwerde bei der EU angekündigt. Doch das wird nicht passieren.
Edtstadler ließ am Dienstag in einem Statement wissen: „Die Antwort auf den Gesetzesbruch der Klimaschutzministerin Gewessler darf kein weiterer Gesetzesbruch sein. Als Verfassungsministerin ist es für mich keine Option, mich über die Vorgaben des Bundesministeriengesetzes und die Staatspraxis hinwegzusetzen“. Das Einbringen einer Klage ohne Einvernehmen mit der Klimaschutzministerin wäre „ein Abgehen von der seit dem EU-Beitritt gelebten Praxis. Im Gegensatz zur Klimaschutzministerin gehe ich nicht aus ideologischen Gründen von dieser Staatspraxis ab“, so die Europaministerin.
Das mag verwundern, hatte Ministerin Edtstadler doch in der Sitzung des Bundesrates am 27. Juni 2024 (Hier der LINK) erklärt: "Österreich wird daher im Auftrag von mir als zuständiger Verfassungsministerin Nichtigkeitsklage beim EuGH einlegen. Dies ist binnen zwei Monaten nach Veröffentlichung der Verordnung im Amtsblatt der Europäischen Union möglich." Die ÖVP hatte sogar eine Amtsmissbrauchsklage gegen die Klimaschutzministerin eingebracht, die von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) aber bereits Anfang September zurückgelegt wurde.
Edtstadler meinte am Dienstag weiter, dass die EU-Renaturierungsverordnung jederzeit durch ein österreichisches Gericht im Rahmen innerstaatlicher Renaturierungsverfahren überprüft werden könne und „insbesondere die Frage der Gültigkeit der Verordnung dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt werden“, so die Ministerin.
Reaktion der Grünen
Die Generalsekretärin der Grünen, Olga Voglauer, erklärte dazu: "Die ÖVP hat sich richtig entschieden und von einer aussichtslosen Klage gegen den Naturschutz abgesehen. Es ist gut, dass sich dort auch die Erkenntnis durchsetzt, dass der Schutz unserer Lebensgrundlage wichtig und nicht rechtswidrig ist. Leonore Gewessler hat mit ihrem entscheidenden ‚Ja‘ zum EU-Naturschutzgesetz einen großen Beitrag zum Schutz unserer Lebensgrundlage geleistet. Das ist jetzt einmal mehr völlig klar.“
Reaktion Greenpeace
Ursula Bittner, Greenpeace-Sprecherin, erklärte gegenüber dem KURIER: „Das Renaturierungsgesetz ist einer der größten Meilensteine im Umwelt- und Artenschutz der letzten Jahre. Es ist erschütternd, dass einige politische Akteure solch ein wichtiges Gesetz schamlos verwenden, um daraus politisches Kleingeld zu schlagen. Die kommende Regierung muss schnellstmöglich Wiederherstellungspläne erstellen und sich darum kümmern, dass diese rasch umgesetzt werden.”
Beim EU-Renaturierungsgesetz ist das übergeordnete Ziel die langfristige und nachhaltige Wiederherstellung biologisch vielfältiger und widerstandsfähiger Ökosysteme. Das bedeutet unter anderem aufgeforstete Wälder, wiedervernässte Moore sowie natürlichere Flussläufe und infolge den Erhalt der Artenvielfalt.
Der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission vom Juni 2022 stieß auf viel Kritik. In den Verhandlungen zwischen den EU-Mitgliedstaaten und dem Europaparlament wurde die Verordnung aber abgeschwächt und den EU-Ländern wesentlich mehr Flexibilität bei der Umsetzung eingeräumt. Trotzdem schwenkten einige Staaten trotz Kompromiss unter dem Eindruck von Bauernprotesten und der EU-Wahl um.