Politik/Inland

Bierleins erste Kanzlerinnenrede: Rasche Vorkehrungen für Neuwahlen

Die frisch angelobte Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein hat am Montag in ihrer ersten Ansprache im Kanzleramt die verantwortungsvolle Aufgabe hervorgehoben, die sie und ihr Regierungsteam übernommen hat. Gleichzeitig appellierte sie an die Parteien, möglichst rasch Vorkehrungen für Neuwahlen in die Wege zu leiten.

Bierlein adressierte ihre ersten Worte an die "Bürgerinnen und Bürger" und betonte, dass es eine "große Ehre" sei, sich erstmals als Bundeskanzlerin an die Bevölkerung wenden zu dürfen. Gleichzeitig äußerte sie ihren "tief empfundenen Dank" und erinnerte an die "große Verantwortung", die mit diesem Amt verbunden sei. Sie sei sich dieser bewusst und nehme sie "mit Demut an". Dabei erinnerte sie daran, dass das Land über eine starke unabhängige Justiz, freie Medien und eine effiziente Verwaltung verfüge.

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Ihr Regierungsteam bestehe aus "unbestrittenen" Experten, die einen langen Dienst im Interesse der Republik geleistet hätten. Die Fortführung der Geschäfte liege bei diesen in "besten Händen". Bierlein bedankte sich bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen für das in sie gesetzte Vertrauen und die vielen Gespräche.

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Bitte um Geduld

Zudem bat die Bundeskanzlerin die Medienvertreter um Verständnis, dass sie sich sowie alle anderen Regierungsmitglieder zunächst einen Überblick über die Themen verschaffen müssten - erst danach werde man in den Austausch mit Journalisten treten. Ihr Kabinett werde sich mit aller Kraft um das Vertrauen der Bürger, Parteien, Amtsträger, der Zivilgesellschaft und der Religionsgemeinschaften bemühen, versprach Bierlein: "Wir werden die Gesetze nach bestem Wissen und Gewissen vollziehen."

Neben dem "sorgsamen Umgang" mit Steuergeld würden sie auch dafür sorgen, dass alle Dienstleistungen des Staates in "höchster Qualität" weiter zur Verfügung stehen. Zugleich hob sie hervor, dass ihre Übergangsregierung mit weniger Ministerien und schlanken Ministerkabinetten auskommen werde.

Dem Parlament komme in dieser Zeit ebenfalls eine "wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe" zu, so Bierlein. Die Bundesregierung werde ihre Expertise allen Abgeordneten zur Verfügung stellen, versprach sie. In diesem Zusammenhang erinnerte sie an die Tugenden des Dialogs und des "konstruktiven Miteinanders".

Besonders wandte sie sich in ihrer Ansprache an die Jugend und die "jungen Frauen", sich zu engagieren. "Unsere Demokratie braucht sie alle." Das Engagement sei wichtig für ein starkes, tolerantes Österreich. "In diesem Sinne werden wir arbeiten. In diesem Sinne dienen wir Ihnen als Bundesregierung."

Erster Ministerrat am Mittwoch

Ihren ersten Ministerrat wird die Übergangsregierung noch diesen Mittwoch abhalten. Für 8.00 Uhr ist die Auftakt-Regierungssitzung des Kabinetts von Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein angesetzt. Größere inhaltliche Entscheidungen sind dabei aber noch nicht vorgesehen, es gehe vor allem um die Aufnahme der Amtsgeschäfte, hieß es in Regierungskreisen gegenüber der APA.

Ob es noch diese Woche eine Sondersitzung des Nationalrates gibt, oder ob sich die Regierung erst bei der regulären Sitzung in der nächsten Woche dem Hohen Haus vorstellt, ist vorerst noch offen.

Kabinett von Parteien freundlich aufgenommen

Betont freundlich ist die neue Regierung von Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein von den politischen Parteien aufgenommen worden. Kritik gab es nur vereinzelt. Kardinal Christoph Schönborn wünschte dem Kabinett "Weisheit, Augenmaß, Mut und Gottes Segen".

In diesen "turbulenten Zeiten" habe Österreich in Bundespräsident Alexander Van der Bellen einen "Anker der Stabilität". Nachsatz: "Dafür bin ich sehr dankbar", stellte der Wiener Erzbischof fest.

SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner blickt "zuversichtlich" auf die Zusammenarbeit mit der neuen Bundeskanzlerin und ihrer Expertenregierung. Rendi-Wagner begrüßte, dass Bierlein ihr Kabinett so schnell zusammengestellt hat. Dass erstmals eine Frau an der Spitze der Regierung steht, ist für die SPÖ-Vorsitzende "ein tolles frauenpolitisches Signal". Sie sieht nun gute Voraussetzungen dafür, dass wieder Ruhe ins Land einkehrt und die kommenden Monate von Stabilität geprägt sein können. Dazu brauch es nun einen intensiven, regelmäßigen und unvoreingenommenen Dialog zwischen den Parlamentsfraktionen und der neuen Regierung auf Augenhöhe." Außerdem will Rendi-Wagner die kommenden Monate für Sachpolitik und Themen nutzen, hinter denen die breite Mehrheit der Bevölkerung steht.

Auch der designierte FPÖ-Obmann Norbert Hofer gratulierte der neuen Regierung zu ihrem Amtsantritt. Er bedankte sich bei Van der Bellen und Bierlein für deren umsichtiges Handeln und die konstruktiven Gespräche in den letzten Tagen. Hofer bot die FPÖ als verlässlichen Partner an und ging davon aus, "dass die neuen Mitglieder der Bundesregierung die anstehenden Amtsgeschäfte mit großer Umsicht und mit Rücksicht auf den Charakter einer Übergangsregierung erledigen werden." Auch der geschäftsführende FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl zeigte sich zuversichtlich, dass die Regierung die Verwaltung gut weiterführen werde, ehe sich im Herbst bei Neuwahlen die Gelegenheit für neue politische Weichenstellungen ergebe.

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Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger zeigte sich froh, dass durch die Übergangsregierung wieder Stabilität einkehrt. Dass gleich viele Frauen wie Männer in der Regierung vertreten sind, ist für sie "nicht nur sehr erfreulich, sondern auch längst überfällig". Meinl-Reisinger erwartet vor der neuen Regierung, dass sie das Land ordentlich und abseits von Parteipolitik verwaltet und - wo nötig - rasche Aufklärung vorantreibt. Meinl-Reisinger erwartet von den Ministern aber auch, dass deren parteipolitischer Hintergrund "absolut keine Rolle spielt und die Expertise und das Wohl der Republik im Vordergrund stehen".

Pilz kritisiert nur "Paintballminister"

Für Peter Pilz von der Liste Jetzt hat die neue Bundeskanzlerin mit der Wahl des Vizekanzlers und des Innenministers klare Maßstäbe gesetzt: für Qualität und Unabhängigkeit. Pilz kritisierte aber auch Proporz auf der mittleren Ebene und den neuen Verkehrsminister Andreas Reichhardt als "Paintballminister". Pilz erwartet, dass insbesondere im Innenministerium schnell Fehler der Vergangenheit korrigiert werden. Dafür werde er dem Innenminister konkrete Vorschläge machen.

Die rasche Bildung der neuen Regierung und die Geschlechterparität begrüßten auch die Grünen. Ein Wermutstropfen und ein Risiko ist auch für die Grünen der FPÖ-Kandidat Andreas Reichhardt als Verkehrsminister. Bundesrätin Ewa Dziedzic nannte ihn einen "rechtsextremen Wehrsportübungs-Kollgen" von Heinz-Christian Strache und Gottfried Küssel. Der Rechtsextremismus-Experte des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW), Bernhard Weidinger, erklärte dazu gegenüber der APA, Reichardt sei nicht nur auf Fotos mit Strache bei wehrsportähnlichen Übungen zu sehen. Bei seiner Verbindung Zimbria habe es auch personelle Überscheidungen mit der früheren Volkstreuen außerparlamentarischen Opposition (VAPO) von Küssel gegeben.

Mit Kritik ist auch schon der neue Verteidigungsminister Thomas Starlinger konfrontiert. Milizverbands-Präsident Michael Schaffer zeigte sich mit dessen Bestellung unglücklich. Starlinger sei ein "Berufsheer-Hardliner" und komme "aus der wehrpolitischen Giftküche des Peter Pilz", kritisierte er.

Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer bot der Regierung die Unterstützung der Wirtschaft an. Auch die Industriellenvereinigung sicherte ihr volle Unterstützung zu. Greenpeace appellierte an die Regierung, beim Klimaschutz keinen Stillstand zu akzeptieren, und auch der WWF forderte Priorität für den Umwelt- und Klimaschutz.

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Als neuer Vizekanzler angelobt wurde Clemens Jabloner, als Innenminister vereidigt wurde Wolfgang Peschorn. Neuer Finanzminister ist Eduard Müller. Ihm wurden auch die Agenden für öffentlichen Dienst und Sport übertragen. Das Außenministerium wird künftig von Alexander Schallenberg geleitet. Er übernimmt auch die EU-Agenden sowie jene für Kunst, Kultur und Medien. Verkehrsminister wird Andreas Reichhardt. Als Verteidigungsminister angelobt wurde Thomas Starlinger.

Die Interimsminister sind allesamt keiner Partei zugehörig, weisen aber eine gewisse Nähe auf. Die jeweiligen Ressortchefs sind mehr oder weniger den großen Parteien ÖVP, SPÖ und FPÖ zuordenbar, was unter anderem etwaigen Misstrauensanträgen vorbeugen soll

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