Politik/Inland

Anlaufstelle für Wissenschaftler: Hilfe für die, die uns die Welt erklären

Wie wird sich die Lage weiter entwickeln? Wie groß ist die Bedrohung? Und was hilft dagegen?

Nie hatte eine Gesellschaft so viele Fragen an die Wissenschaft – von der Medizin über die Mathematik bis zur Pharmazie – wie seit Ausbruch der Corona-Pandemie. Forscherinnen und Forscher, deren Erfahrungen mit der Öffentlichkeit sich zuvor meist hauptsächlich auf Fach-Magazine und -Tagungen bzw. Publikationen ihrer Universitäten beschränkt hatten, waren plötzlich gefragte Interviewpartner, politische Entscheidungen wurden auf Basis ihrer Einschätzungen getroffen.

Doch wo Rampenlicht ist, da ist auch Schatten. Je mehr die Wissenschaft in den vergangenen zweieinhalb Jahren in den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Interesses gerückt ist, umso lauter wurden ihre Gegner.

Beleidigungen und Drohungen

Wie laut, das zeigt etwa eine Studie der Uni Wien aus dem Frühjahr 2022. Viele der dafür befragten Forscherinnen geben an, „in erheblichem Ausmaß negative (oft feindselige) Resonanz“ auf ihre Medienauftritte zu erhalten. Insbesondere über Social Media, per Email, aber auch per Post erreichen sie grobe Beleidigungen und offene Drohungen, heißt es in der Studie. Die Wissenschafter würde das als emotional „enorm belastend“ empfinden. Auch unter 300 vom Wissenschaftsmagazin nature befragten Forschern gaben zwei Drittel an, Anfeindungen erlebt zu haben, knapp ein Viertel sogar Gewaltandrohungen.

Anlaufstelle für bedrohte Wissenschafter 

„Wir müssen unseren Kolleginnen und Kollegen zur Seite stehen“, erklärt nun der Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Ex-Bildungsminister Heinz Faßmann. Immerhin gebe es auch abseits der Forschung rund um die Pandemie Anfeindungen. Betroffen seien etwa auch Wissenschafter, die zu Klima, Migration oder Gentechnik arbeiten. Viele wüssten nicht, wohin sie sich wenden sollen, wenn sie Drohungen oder Beschimpfungen erreichen.

Aus diesem Grund startet die ÖAW heute die erste Anlaufstelle für angefeindete Wissenschafter. Über die Plattform „Science Care“ erhalten sie Hilfestellungen zu medialer Krisenkommunikation, Angriffen in sozialen Medien und rechtlichen Fragen. Auch internationale Expertise bei Angriffen im Ausland und psychologische Hilfe stehen dort zur Verfügung, heißt es von der ÖAW.

Vehementer Widerstand

„Wir erwarten von den Wissenschaftern und Wissenschafterinnen, dass sie neben Forschung und Lehre Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung leisten. Dabei erleben sie aber oft vehementen Widerstand“, sagt Faßmann.

Sexismus 

Bei weiblichen Kolleginnen kämen auch noch sehr oft sexistische Kommentare dazu. Die ÖAW müsse hier Verantwortung übernehmen und „in so einer Situation niemanden alleine lassen“. Wie man mit Hass und Drohbotschaften umgeht, lerne man nun einmal nicht im Studium.

Die Plattform wird in der Anfangsphase zunächst den Wissenschaftern der ÖAW zur Verfügung stehen. Nach einigen Monaten Laufzeit soll sie bei einem Runden Tisch mit Betroffenen und Experten evaluiert werden. Danach ist eine Ausweitung von „Science Care“ für Forscher und Forscherinnen anderer wissenschaftlicher Einrichtungen geplant. Erste Gespräche sollen bereits laufen.