97 Prozent: Österreich bezog im Jänner fast nur russisches Gas
Von Michael Hammerl
Als vor rund einem Monat bekannt wurde, dass Österreichs Energieversorger im Dezember 2023 98 Prozent ihres Gasanteils aus Russland bezogen, war die Aufregung groß. Immerhin hatten sich die EU-Staaten darauf verständigt, bis 2027 aus russischem Gas auszusteigen.
Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) stellte daraufhin wiederholt einen Ausstiegsplan vor. Schwerpunkt: Eine Diversifizierungspflicht für Gasversorger. Eine Reform des Gaswirtschaftsgesetzes soll Energieunternehmen verpflichten, schrittweise aus russischem Gas auszusteigen. Das Ministerium arbeitet seitdem an einem Vorschlag. Die wohl größte Hürde: Gewesslers Idee braucht voraussichtlich eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat. Ob ÖVP, aber auch SPÖ oder FPÖ mitziehen, ist ungewiss.
Kein Ausreißer: Auch im Jänner Rekordhoch
Der Druck, einen Ausstiegsplan umzusetzen, wird jedenfalls nicht geringer. Das verrät ein Blick auf die neuen Daten des Energie-Dashboards des Klimaschutzministeriums. Sie zeigen, dass der hohe Dezember-Wert kein Ausreißer nach oben war. Auch im Jänner 2024 bezogen Österreichs Energieunternehmen satte 97 Prozent ihres Erdgases aus Russland.
Lukas Sustala, Politischer Direktor der Neos, kritisierte das Donnerstagabend auf X – kurz nachdem die Zahlen aktualisiert worden waren: "Österreich hat seine Energiepolitik weiter an die Gazprom ausgelagert. Sie liefert. Wir nehmen."
Was die Situation nicht einfacher macht: Der ukrainische Energieminister German Galuschtschenko hat betont, den Transitliefervertrag für Gazprom-Gas, das durch die Ukraine fließt, nicht verlängern zu wollen. Betroffene Staaten wie Österreich, Ungarn oder die Slowakei könnten sich stattdessen an den ukrainischen Gasspeichern bedienen, in denen 15 Milliarden Kubikmeter Gas lagern, meinte Galuschtschenko gegenüber Bloomberg.
Chance für Ausstieg aus Gazprom-Verträgen?
Die langfristigen OMV-Verträge mit der Gazprom bis 2040 sind ein weiteres Problem, das Gewessler lösen will. Sie sehen eine fixe Abnahmeverpflichtung (Take-or-Pay) vor. Demnach muss eine Mindestmenge auch dann bezahlt werden, wenn die OMV sie nicht bezieht. Gewessler spricht von "Knebelverträgen". Fließt durch die ukrainischen Pipelines kein russisches Gas mehr, könnte die OMV eventuell aussteigen.
Dass die Gazprom der teilstaatlichen OMV über alternative Lieferrouten versorgen und ihre Lieferverpflichtungen einhalten könnte, hält Energieexperte Walter Boltz für ausgeschlossen. "Die Gazprom wird in diesem Fall zumindest zeitlich befristet nicht mehr die Mengen liefern können, die in den Verträgen vorgesehen sind. Die OMV müsste anderen Lieferpunkten zustimmen und hätte die Möglichkeit, aus den Verträgen auszusteigen", sagte Boltz vor einer Woche auf KURIER-Anfrage.
Erste politische Einigung
Um die Versorgungssicherheit mit nicht-russischem Gas künftig sicherzustellen, hat sich die Regierung nun immerhin auf den Ausbau der "West-Austria-Gasleitung" (WAG) in Oberösterreich geeinigt. Der Streit mit dem Netzbetreiber Gas Connect, wie das 200 Millionen Euro teure Projekt finanziert werden soll, wurde gelöst.
Nach der ausstehenden Umweltverträglichkeitsprüfung soll der Bau beginnen. Auf der Route kann etwa norwegisches Gas oder Gas, das als Flüssiggas nach Westeuropa verschifft wurde, importiert werden. Mit einer Fertigstellung rechnet die Gas Connect allerdings erst bis 2027.