72 Prozent der Sozialleistungsbetrüger sind ausländische Staatsbürger
Von Michael Hammerl
Wie erfolgreich ist Österreich im Kampf gegen Sozialleistungsbetrug? Einen Überblick haben am Mittwoch Finanzminister Magnus Brunner, Innenminister Gerhard Karner (beide ÖVP), Finanzpolizei-Leiter Wilfried Lehner und Gerald Tatzgern, im Bundeskriminalamt unter anderem für Sozialleistungsbetrug zuständig, gegeben.
Das Sozialsystem in Österreich helfe den Schwächsten, sagte Brunner eingangs. "Diese Solidarität ist ein Grundpfeiler unserer Gesellschaft, darf aber keine Einbahnstraße sein." Es brauche Unterstützung, aber auch Kontrolle, so der Minister. "Deshalb gehen wir als Staat auch gegen Sozialleistungsbetrug vor." Da gehe es beispielsweise um Personen, die zu Unrecht eine Mindestsicherung beziehen.
Seit fünf Jahren gibt es im Innenministerium eine Taskforce zum Thema Sozialleistungsbetrug. Eine Gesamtschadenssumme von 89 Millionen Euro sei in diesem Zeitraum ermittelt worden, so Brunner: "Diese Bilanz kann sich sehen lassen."
Mehr als 2.200 Fälle angezeigt
Ziel müsse es sein, jenen Menschen zu helfen, die es nötig hätten, betonte Karner. Aber: "Damit der Sozialstaat auch in Zukunft leistungsfähig bleibt, ist es notwendig, das System auch vor Missbrauch zu schützen." Je mehr und intensiver beim Thema Sozialbetrug kontrolliert werde, desto mehr Fälle würden auch zum Vorschein kommen, sagte der Innenminister. Schwerpunktaktionen gab es zuletzt in der Grundversorgung und an Flughäfen.
100 bis 150 Bedienstete sind in Österreich für die Bekämpfung von Sozialbetrug geschult. Mehr als 2.200 Fälle mit 2.288 Verdächtigen seien im ersten Halbjahr 2023 angezeigt worden, ein Plus von 28 Prozent. Die Schadenssumme sei in diesem Zeitraum bei 14 Millionen Euro gelegen, so Karner: "72 Prozent der Tatverdächtigen waren ausländische Staatsbürger und mehr als die Hälfte der Fälle gab es in Wien." Die auffälligsten Nationalitäten: Syrien, Afghanistan, Ukraine, Serbien sowie Bosnien-Herzegowina.
Die Aufklärungsquote liege bei 99,5 Prozent, meinte Karner. Wer glaube, den Sozialstaat und die Steuerzahler betrügen zu können, der werde auch erwischt. Der häufigste Deliktfall: Wenn Arbeitslosengeld bezogen wird, obwohl jemand "schwarz" arbeitet.
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Vermeintliche Sehbehinderung: 900.000 Euro Schaden
"Es gibt Fälle, die hält man nicht für möglich", sagte Tatzgern. In einem Fall hätte ein Mann über mehr als sechs Jahre eine massive Sehbehinderung vorgetäuscht. Er habe damit einen Schaden von 900.000 Euro verursacht. In einem anderen Fall hätte ein Mann Notstandshilfe bezogen, obwohl er über 300 Tage im Jahr nicht in Österreich gewesen sei. Weiters hätte eine Frau über 23 Jahre lang eine Witwenpension mit Ausgleichzulage bezogen, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht mehr gegeben gewesen seien. Schaden: 300.000 Euro. Über ein Drogendelikt ist man zudem einer Frau auf die Schliche gekommen, die trotz eines lukrativen Einkommens mit einem Parfümhandel eine Million Euro an Sozialleistungen erschlichen hat.
Wer als Sozialleistungsbetrüger auffällig wird, dem drohen bei einem Schaden über 5.000 Euro drei Jahre Haft. Wer das als Teil einer kriminellen Vereinigung macht, dem drohen bis zu fünf Jahre Gefängnis.