Wo sich Europas Rechte nicht einig sind
Symbolpolitik. Das können die beiden gut. Bevor Ungarns Premier Viktor Orbán am Montag FPÖ-Chef Heinz Christian Strache trifft, kam er am Donnerstag mit Italiens Innenminister Matteo Salvini zusammen – und wählte dafür ein plakatives Ziel: die EU-Außengrenze zwischen Ungarn und Serbien. Mit Feldstechern blickten zwei der führenden Rechtspopulisten Europas in die Zukunft. Findet sich dort ein gemeinsamer Weg?
Salvini hofft das. Mit seiner rechtsextremen Lega ist er derzeit auf EU-Ebene in einer Fraktion (ENF) mit seinen rechtspopulistischen Freunden von FPÖ, dem französischen Rassemblement National (RN) und der niederländischen PVV. Für die Zukunft hofft er auf eine noch breitere Rechtsaußen-Allianz, die etwa auch die AfD inkludiert.
Orbáns Fidesz hingegen ist (noch) Teil der Europäischen Volkspartei (EVP), die deren Mitgliedschaft wegen grober Verfehlungen suspendiert hat. (Mehr zur Suspendierung: hier)
Orbán forderte diese EVP dieser Tage auf, mit Salvini zusammenzuarbeiten.
Doch viele scheinbare Gemeinsamkeiten entpuppen sich bei näherem Hinschauen als Reibungspunkte, erklären die Politologen Reinhard Heinisch und Anton Pelinka.
Migration
Von „Anti-Migrationskräften“ spricht Viktor Orbán gerne, wenn er seine rechtspopulistischen Freunde meint. Und ja, sie sind durchwegs gegen die von ihnen befürchtete „Massenmigration“. Doch die angedachte Migrationspolitik der betreffenden Parteien unterscheidet sich in grundlegenden Punkten: So fordert Italiens Regierung seit Langem Solidarität der Mitgliedstaaten, was die Flüchtlingsverteilung angeht. Doch verpflichtende Quoten sind für viele der anderen – allen voran Viktor Orbán – ein absolutes Tabu.
Russland-Beziehungen
Zwar zieht es skandinavische Rechtspopulisten (Die Finnen, Dänische Volkspartei) in Richtung Salvinis Allianz, aber die Russland-Verbindungen von FPÖ, AfD und Lega sind ihnen ein Dorn im Auge. Je nachdem, ob diese Moskau-Affinität in ihren Heimatländern noch stärker thematisiert wird, könnte das zu einer Distanz von der Rechtsallianz führen, glaubt Politologe Heinisch.
Nationalsozialismus
Eine rote Linie sei auch für viele die zu unklare Abgrenzung zum Nationalsozialismus. Auch hier sind die Skandinavier vorsichtig. Vor allem aber in Polen würde keine Partei, auch die nationalkonservative PiS, die mit Orbán enge Verbindungen pflegt, an Nationalsozialismus oder Antisemitismus anstreifen wollen.
"Wir zuerst"
Die Idee, auf das eigene Heimatland und die jeweilige Bevölkerung zu setzen, mag bei nationalen Parlamentswahlen funktionieren, doch diese Grundlage verbaut bei genauerem Hinsehen gleichzeitig Kooperationsmöglichkeiten auf europäischer Ebene.
Viele Punkte der Fidesz-Politik kritisieren deutsche Politik direkt. Gleichzeitig verbannt eine „wir zuerst“-Wirtschaftspolitik Produkte anderer EU-Staaten in weiterer Folge aus den Supermärkten. Ein einschlägiges Beispiel für dieses Problem ist die Indexierung der österreichischen Familienbeihilfe für Kinder im Ausland, die die Regierung unter starkem Druck der FPÖ beschlossen hat. Die Anpassung der Zahlungen an die Kaufkraft im jeweiligen Land trifft viele in Österreich lebende Ungarn oder Polen. Das Thema wird bei freundschaftlichen Treffen allerdings vor Medien ausgespart oder freundlich umgangen.
Auch die österreichischen Pässe, die die FPÖ für Südtiroler fordert, können einem Salvini nicht gefallen.
Führungsperson
Auch wenn vielerorts von der EAPN (Europa der Menschen und Nationen) als „Salvini-Allianz“ die Rede ist: Noch ist unklar, ob Matteo Salvini tatsächlich selbst der Wortführer einer möglichen Fraktion wird. Da wäre noch die momentan medial ein wenig in den Hintergrund gerückte Marine Le Pen, die bisher als starke Frau hinter der ENF-Fraktion aufgetreten ist. Ihr Rassemblement National (früher Front National) hatte in den letzten Jahren etwas geschwächelt, doch inmitten der Gelbwesten-Unsicherheiten in Frankreich könnte sich das bei den Wahlen wieder ändern.
Fazit
Das Fazit der Politologen: Aller Voraussicht nach werden die Rechten bei der EU-Wahl dazugewinnen. Doch eine gemeinsame konstruktive Politik sei nicht zu erwarten, so Heinisch. Sowohl er als auch Pelinka erwarten daher vor allem eine „verstärkte Politik der Verweigerung innerhalb des neuen EU-Parlaments auf Kosten der Politikfähigkeit der EU“ (Pelinka). „Die möglichen Vetospiele könnten die EU schwächen“, fürchtet Heinisch.