Politik/Ausland

"Auslöschung der Zivilisation": Putin warnt Westen vor Nuklearkonflikt

Das Nicken der Hunderten Anwesenden im Saal war fleißig, der Applaus artig: Mit seiner zweieinhalbstündigen Rede an die Nation riss Russlands Präsident Wladimir Putin am Donnerstag niemanden von den Sesseln. Ohnehin schon kein begnadeter Redner vermochte der Kremlherr am Donnerstag nicht einmal mehr mit seinen harschen Drohungen aufzuschrecken.

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„Dieser sogenannte Westen mit seinen kolonialen Gewohnheiten“ bedrohe auch Russland, sagte Putin und fügte hinzu, „aber sie haben verloren. Sie haben unseren Widerstand unterschätzt.“ Und er warnte – wie schon mehrmals zuvor – vor einer atomaren Eskalation: „Alle Bemühungen, uns einzuschüchtern, können in der Realität in einem atomaren Konflikt enden.“ Und: „Sie sollten endlich begreifen, dass auch wir über Waffen verfügen, die Ziele auf ihrem Territorium treffen können. Unsere strategischen nuklearen Kräfte sind jederzeit einsetzbar.“

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Doch wie schon in allen seinen Reden zuvor stellte der 71-jährige Langzeitpräsident klar, dass es niemals Russland sei, von dem die Gefahr ausginge. Dass es sich stets wehren und verteidigen müsse gegen die Aggressoren aus dem Westen. „Sie sagen, dass Russland Europa angreift, das ist totaler Unsinn“, wies Putin derartige Vorwürfe unwirsch zurück.

NATO-Truppen

Und schob gleich noch eine Warnung nach: Sollten aber die NATO-Staaten tatsächlich Kampfverbände in die Ukraine schicken, wie es zuletzt Frankreichs Präsident Macron angedacht hatte, „hätte dies sehr tragische Folgen.“ Auf alle Fälle aber werde Russland nun seine Truppen an seiner westlichen Grenze verstärken. Der Grund dafür: Finnland und Schweden seien schließlich der NATO beigetreten. Dass es Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine war, die die beiden bis dahin neutralen skandinavischen Staaten zu diesem Schritt bewogen hatte, ließ Putin unerwähnt.

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Wortlos blieb der russische Staatschef auch zum Thema Transnistrien. Dort, im bitterarmen, von Mafiastrukturen geprägten Separatistengebiet der kleine Republik Moldau hatte man tags zuvor Moskau dringend „um Schutz“ gebeten. Groß war deshalb die internationale Sorge, dass Putin nach bewährtem Drehbuch agieren würde: Erst fragen Separatisten Hilfe, wie es im ukrainischen Donezgebiet oder im georgischen Südossetien geschehen war, und dann rückt die russische Armee ein.

„Das Mutterland“

Nichts dergleichen – Putin ignorierte die transnistrischen Separatisten – und die Kämpfe und der Krieg in der Ostukraine, das ist aus der Perspektive „die Verteidigung des Mutterlands“. Dass Putin dem ukrainischen Staat das Existenzrecht abspricht, ist nicht neu, und so seien alle russische Soldaten, die ihr Leben dort an der Front opferten, die „Helden eines starken, souveränen Russlands“.

Milliardengeschenke

Diesem starken Land aber scheinen die Kinder auszugehen, weshalb Putin länger als über irgendein Thema sonst darüber sprach, wie die Geburtenrate (derzeit 1,5 Kinder pro Frau) wieder angehoben werden könnte. Milliarden über Milliarden versprach Putin sodann: Für Investitionen in nahezu alle Bereiche des öffentlichen Lebens, in Flughäfen, Bahnstrecken, Bildung, Kindergärten, Sportstätten, Forschung und die Wirtschaft. Und so erinnerte Putins angekündigter Griff in die russische Geldtasche zum ersten Mal daran, was Putin dieser Tage auch ist: ein Wahlkämpfer.

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Mitte März stehen russische Präsidentenwahlen an. Zwar steht der Sieger – Wladimir Putin – schon fest, dennoch verspricht Kandidat Nummer Eins generös Wahlzuckerl: Höhere Einkommen, Steuerbefreiungen und Förderungen für die Familien, Modernisierung, Innovation und geradezu goldene Zeiten. In nächster Zukunft werde Russland die viertstärkste Wirtschaftsmacht der Welt sein, sagte Putin. Wie sich das Land von seinem derzeitigen, eher absturzbedrohten achten Platz so weit nach vorne katapultieren will, konnte er seinen Zuhörern nicht erklären. Höflichen Applaus bekam er dennoch.