Politik/Ausland

Wie Corona Brasiliens Indigene mit voller Wucht trifft

Gut 11.000 Fälle binnen 24 Stunden; insgesamt mehr als 200.000 Corona-Infizierte (am sechsmeisten weltweit); mehr als 14.000 Covid-19-Tote. Die Pandemie wütet derzeit in Brasilien wie in kaum einem anderen Land – nicht zuletzt auch wegen des erratischen Krisen-Managements durch den rechtspopulistischen Präsidenten Jair Bolsonaro. Dessen Vorvorgänger, Luiz Inacio Lula da Silva, fordert deswegen jetzt ein Amtsenthebungsverfahren gegen das Staatsoberhaupt. Bolsonaros „Chaos-Politik“ löse einen „Genozid“ aus.

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Fast unbemerkt trifft dieser auch die indigene Bevölkerung des Landes. In der Amazonas-Metropole Manaus gibt es mehr 1.000 Tote. „Dort heben Bulldozer Massengräber aus, alle Intensivbetten sind voll. Aktuell sterben drei Mal so viele Menschen wie in Normalzeiten“, schildert Hans Kandler im KURIER-Gespräch. Der Österreicher unterstützt im Rahmen von Klimabündnis-Projekten seit 1993 indigene Gemeinschaften im tiefsten Regenwald, dort, wo Brasilien zu Venezuela und Kolumbien ausfranst.

„Viele Arbeiter und Studenten wollten schon länger weg aus Manaus und nach Hause – auch in unsere Projektgebiete am Oberlauf des Rio Negro. Es gab zwar Sperren und Kontrollen, doch sie haben mit selbst gecharterten Booten Nebenarme benützt – auch so kam das Virus ins Hinterland“, sagt Kandler, 68, der im März in die Region reisen wollte.

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Viel schlimmer aber sei die Corona-Verbreitung durch illegale Goldschürfer, die das Chaos ausnützten und in indigene Territorien eindringen würden. „Allein im Gebiet der Yanomami stieg deren Zahl von 20.000 auf 30.000 – nicht zuletzt auch wegen des gestiegenen Goldpreise. Und die kümmern sich gar nicht um Schutzausrüstungen.“ Auch Drogendealer aus Kolumbien zögen verstärkt durch die Lande, um ihre Ware in Manaus zu verkaufen – und erhöhten so die Infektionsgefahr. Last but not least der intensivierte Kahlschlag durch Holzhändler und Agro-Business. Allein in den ersten vier Monaten wurden um 55 Prozent mehr Wälder gerodet als im Vorjahr.

Rückzug in die Wälder

Die Indigenen würden sich jedenfalls, betont Kandler, so gut schützen, wie es eben ginge: „Manche ziehen sich in die Wälder zurück, um sich zu isolieren. In den kleineren Städten fahren Lautsprecherwagen durch die Straßen, die Leute werden aufgefordert, zu Hause zu bleiben. Und über das Funknetz unserer Partnerorganisationen strahlen die Behörden Aufrufe bis in die entlegensten Siedlungen aus – mit dem Appell, derzeit nicht in die Städte zu kommen.“

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Was den 68-Jährigen besonders alarmiert: „Das Gesundheitswesen gerade im Amazonasgebiet war zuvor schon miserabel, wurde unter Bolsonaro weiter ausgedünnt und ist jetzt dieser Pandemie in keiner Weise gewachsen.“