Warum Israels Premier nach Saudi-Arabien jettete
Von Norbert Jessen
Nur wenige Stunden war Israels Premier Benjamin Netanjahu am Sonntag mit dem Privatjet eines befreundeten Milliardärs verschwunden. Zeit genug, sich mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman (MbS) und US-Außenminister Mike Pompeo in Neom zu treffen. So heißt das im saudischen Norden geplante riesige „Silicon-Valley“. Keine 40 km entfernt von der südisraelischen Hafenstadt Elat. Mit dabei war Mossad-Geheimdienstchef Yossi Cohen. Nicht einmal informiert über das Dreiertreffen war Netanjahus Koalitionspartner und Konkurrent: „Benny Gantz macht Politik, Netanjahu macht Frieden“, twitterte spottend Netanjahu-Vertrauter Topas Luk.
„Es gab keine grundsätzlichen Beschlüsse“, zitierte das Wall Street Journal saudische Vertreter. Offiziell war zunächst nichts, gestern aber bestätigte Bildungsminister Joaw Gallant entsprechende Berichte heimischer Medien. So kann die alte US-Regierung noch einmal diplomatische Erfolge feiern. Saudi-Arabien wiederum kann seine US-Politik neu ausrichten, die mit Staatschef Joe Biden um einiges problematischer werden dürfte als mit Vorgänger Donald Trump. Wobei eine gemeinsame Haltung gegen die atomare Bedrohung aus dem Iran zu finden sein sollte.
Wobei es für MbS eine Unwägbarkeit gibt: Joe Biden könnte seinen Rücktritt als Bauernopfer erwarten. Nach dem Mord 2018 an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi in der saudischen Botschaft in Istanbul gehörte Biden zu den harschen Kritikern saudischer „Menschenrechte“. MbS soll den Mord befohlen haben.
Daher fand das Treffen wohl noch zu Trumps Zeiten statt, kann aber auch als Morgengabe an Nachfolger Biden verstanden werden. Nicht zufällig wurde dessen Wahl abgewartet. MbS ist es auch, der die erzkonservative absolute Monarchie mit ersten Schritten der Moderne öffnet. Die von ihm neu strukturierte Shura-Versammlung ist zwar noch lange kein Parlament, aber doch etwas liberaler als zuvor. Wie auch der neu formierte Rat der religiösen Weisen.
So erfolgte die Normalisierung der Beziehungen mit Israel durch die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Sudan schon mit der aktiven Begleitung Riads. Und Pakistans Premier Imran Chan bestätigte in der Vorwoche, dass auch er „von befreundeten muslimischen Staaten“ gedrängt werde, Israel anzuerkennen. Gegen die öffentliche Meinung in seinem Land. „Wegen der Israel-Lobby in den USA.“
Joe Biden hat die Normalisierung der Beziehungen zu Israel einer wachsenden Zahl arabischer Staaten noch im Wahlkampf als Erfolg Donald Trumps anerkannt. Auch dass sie im Trump-Stil als „Deal“ ausgehandelt wurden: 18,4 Milliarden Dollar für Lenkwaffen und Kampfflugzeuge, die allein aus Saudi-Arabien zu erwarten sind.
Sogar die Palästinensische Autonomie (PA) erwartet keine volle Annullierung der Trumpschen Politik, die zu ihren Kosten ging. Sie erhofft sich von der neuen US-Regierung aber die Wiederaufnahme der von Trump eingestellten Finanzhilfe wie die Möglichkeit, sich der neuen Lage in Nahost geschmeidiger anzupassen. Joe Biden könnte es auch schaffen, Israel und die PA wieder an den Verhandlungstisch zu bringen. Und: Im anstehenden Kampf um die Nachfolge von Präsident Machmud Abbas haben die pro-westlichen arabischen Staaten maßgeblichen Einfluss.