Politik/Ausland

Verbales Fernduell: Nach Putin hält Biden Rede zur Lage der Ukraine

Nach seiner aufsehenerregenden Reise in die ukrainische Hauptstadt ist US-Präsident Joe Biden ins Nachbarland Polen weitergereist. In Warschau wollte Biden am Dienstag Präsident Andrzej Duda treffen und eine Rede am Warschauer Königsschloss zum ersten Jahrestag des Kriegsbeginns in der Ukraine halten. Bidens Ansprache war für den frühen Abend geplant - nur wenige Stunden nach der großen Rede von Russlands Präsident Wladimir Putin in Moskau zur Lage seiner Nation.

Am Montag war Biden unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen nach Kiew gereist. Dort traf er Präsident Wolodimir Selenskij und besuchte gemeinsam mit ihm, begleitet von Luftalarm, mehrere symbolträchtige Orte der Stadt. Biden nutzte den Kurzbesuch vor allem, um der Ukraine anhaltende Unterstützung der USA zu versprechen und ein Signal der Geschlossenheit gegenüber Putin auszusenden. Wegen der großen Sicherheitsrisiken hatte das Weiße Haus die Reise bis zuletzt geheim gehalten. Für Biden war es der erste Besuch in der Ukraine seit dem Beginn des Krieges.

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Laut Weißem Haus hatte die US-Regierung die russische Seite wenige Stunden vorher über den Besuch informiert. Bidens Nationaler Sicherheitsberater, Jake Sullivan, betonte am Dienstag, die US-Seite habe Moskau mitgeteilt, wann und wie lange Biden in Kiew sein werde und wie er dorthin reise. Russland habe diesen Hinweis zur Kenntnis genommen, aber nicht anderweitig darauf geantwortet.

Biden war in einer Nacht-und-Nebel-Aktion unter strengster Geheimhaltung und mit einer nur extrem kleinen Delegation nach Kiew gereist. Eine US-Journalistin durfte ihn den ganzen Weg über begleiten, stellvertretend für alle Reporter, die über das Weiße Haus berichten. Demnach flog Biden mit einer kleineren Regierungsmaschine zunächst in die polnische Stadt Rzeszow in der Nähe der Grenze zur Ukraine. Von dort wurde Biden zum Bahnhof der rund 90 Kilometer entfernten Stadt Przemysl gebracht und trat schließlich eine rund zehnstündige Zugfahrt nach Kiew an.

Nach seiner Rückkehr nach Polen reiste Biden in der Nacht auf Dienstag weiter nach Warschau. Biden hatte Polen zuletzt Ende März 2022 besucht, rund einen Monat nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine. Schon damals hatte Biden vor historischer Kulisse am Warschauer Königsschloss eine viel beachtete Rede gehalten, in der er der Ukraine Beistand versicherte und Kremlchef Putin scharf angriff. Für viel Wirbel sorgte in jener Rede eine Aussage zu Putin: "Um Gottes willen, dieser Mann kann nicht an der Macht bleiben", sagte Biden damals. Das Weiße Haus stellte später klar, der Präsident habe damit nicht zum Sturz Putins aufgerufen.

Fernduell sei "keine Absicht" 

Die Auftritte Bidens und Putins am gleichen Tag wirken wie eine Art Fernduell der beiden. Das Weiße Haus betonte aber, dies sei nicht beabsichtigt gewesen. Datum und Zeitpunkt der Ansprache seien nicht wegen Putins Auftritt gewählt worden, sondern wegen des nahenden Jahrestages des Kriegsbeginns, sagte Bidens Berater Sullivan. "Dies ist kein rhetorischer Wettstreit mit irgendjemand anderem." Dem US-Präsidenten gehe es vielmehr darum, ein Jahr nach dem Beginn des Krieges über die Stärke der Demokratie zu sprechen.

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Für seine Rede in Warschau hat Biden mit dem Königsschloss wieder einen besonderen historischen Ort gewählt: Das Schloss gilt als Symbol der im Zweiten Weltkrieg einst von Nazi-Deutschland Großteils zerstörten und später wiederaufgebauten Stadt.

Stärkung Osteuropas

Aus Sicht der Führung in Warschau unterstreicht Bidens Besuch die strategische Bedeutung Polens. Das EU- und NATO-Land hat eine mehr als 500 Kilometer lange Grenze zur Ukraine. Polen nahm nicht nur gut 1,5 Millionen Kriegsflüchtlinge von dort auf, sondern preschte in den vergangenen Monaten immer wieder mit Initiativen zur militärischen Unterstützung für Kiew vor. Polen erhofft sich von Biden Dank dafür, aber auch konkrete Zusagen für weitere militärische Unterstützung.

Am Mittwoch will Biden in Warschau mit Vertretern weiterer osteuropäischer Nato-Staaten zusammenkommen - im "Bukarest 9"-Format. Zu der Gruppe gehören neben Polen noch Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Tschechien, die Slowakei sowie die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, also die Staaten entlang der NATO-Ostflanke. Erwartet wird auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg.

Die Reisen in die Ukraine und nach Polen reihen sich ein in eine ganze Serie außenpolitischer Gespräche der USA rund um den Jahrestag des Kriegsbeginns. Aus dem Weißen Haus hieß es, in den kommenden Tagen plane Biden diverse Telefonate mit europäischen Partnern. Am 3. März empfängt Biden außerdem Deutschlands Kanzler Olaf Scholz in Washington.