Begnadigung noch vor Anklage: Spannt Biden einen Schutzschirm gegen Trump?
Von Dirk Hautkapp
Die parteiübergreifend umstrittene Begnadigung seines Sohnes Hunter vor strafrechtlicher Verfolgung ist für Joe Biden möglicherweise noch nicht das letzte Wort.
Im engsten Zirkel des scheidenden US-Präsidenten wird erwogen, für amtierende und ehemalige Top-Funktionäre und Politiker, die Ziel von Vergeltungsaktionen der neuen Regierung von Donald Trump werden könnten, einen präventiven Schutzschirm aufzuspannen.
Nutznießer dieser Vorab-Begnadigungen wären etwa Anthony S. Fauci, der frühere Chef-Koordinator der umstrittenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Ex-General Mark Milley, einst Vorsitzender der Joint Chiefs of Staff, der Trump in Interviews faschistische Züge bescheinigt hatte, gehört auch dazu.
Ebenso der frisch gewählte demokratische Senator Adam Schiff, der in seiner Zeit als Abgeordneter des Repräsentantenhauses federführend beim ersten Amtsenthebungsverfahren gegen Trump war. Auch die frühere republikanische Kongressabgeordnete Liz Cheney, Tochter des ehemaligen Vize-Präsidenten Dick Cheney und eine der wenigen Trump-Gegnerinnen in der „Grand Old Party”, komme in Betracht, heißt es aus dem Weißen Haus.
Vergeltung und Rache?
In allen Fällen hatte Trump in der Vergangenheit schwere Sanktionen gefordert. So sagte er über Liz Cheney, man solle „Waffen auf ihr Gesicht richten”. General Milley warf er wahrheitswidrig Kontakte zur chinesischen Staats- und Regierungsspitze vor, die in früheren Zeiten die Hinrichtung zur Folge gehabt hätten.
Lara Trump, Schwiegertochter des künftigen Präsidenten und Ko-Vorsitzende der republikanischen Parteizentrale, erklärte dagegen im US-Fernsehen, Donald Trump habe „nicht die Absicht, Vergeltung oder Rache zu üben“.
Im Weißen Haus schenkt man dem keinen Glauben. Dort ist die Sache hoch aufgehängt. Bidens Stabschef Jeff Zients und der erste Rechtsberater des Präsidenten, Ed Siskel, leiten die Sondierungsgespräche. Biden persönlich hat sich noch nicht entschieden. Seine Sprecherin, Karine Jean-Pierre, hatte jedoch gegenüber Journalisten erklärt, dass man vor der Amtseinführung Trumps am 20. Januar mit weiteren Begnadigungen des Präsidenten rechnen könne.
Der Vorstoß, Leute wie Fauci, Schiff & Co. zu schützen, hat Fahrt aufgenommen, seit Trump den hoch umstrittenen Verschwörungstheoretiker Kash Patel zum neuen Chef der Bundespolizei FBI nominiert hat. Patel führt Listen von Biden nahestehenden Demokraten, die er für diverse Aktionen des Rechtsstaates gegen Trump verantwortlich macht. Ihnen, wie auch Medienvertretern, drohte er in Interviews massive strafrechtliche Konsequenzen an.
Juristisches Neuland
Präsidiale Begnadigungen für Straftaten auszusprechen, die noch gar nicht angeklagt wurden und möglicherweise auch nie angeklagt werden, bedeuten weitgehend juristisches Neuland. Normalerweise wird ein „Pardon” nur für Angeklagte oder Verurteilte (wie Bidens Sohn Hunter) gewährt, die bereits für schuldig befunden worden sind. Verfassungsrechtler weisen aber darauf hin, dass die amerikanische Verfassung dem Präsidenten großzügige Befugnisse zugesteht, die gerichtlich schwer anzufechten wären.
Der demokratische Abgeordnete James Clyburn, ein Verbündeter Bidens, unterstützt das Vorhaben. „Ich denke, dass sie alle präventiv begnadigt werden sollten, denn ich glaube, dass es Leute gibt, die Trump in diese Regierung bringen könnte, die diese Leute ernsthaft verfolgen werden, und es gibt keinen Grund, sie dem auszusetzen.”
Adam Schiff, einer der potenziellen Empfänger, winkt indes ab: „Ich habe mehr Vertrauen in unser System, dass es einem möglichen Machtmissbrauch durch den Präsidenten standhalten kann“, sagte der Kalifornier, „und ich glaube nicht, dass eine präventive Begnadigung sinnvoll ist.“