Politik/Ausland

Ungarn bekommt erste Staatspräsidentin – und die Opposition wütet

Katalin Novák ist 44 Jahre alt, hat drei Kinder und zwei Universitätsabschlüsse, ist ehemalige Familienministerin, Marathonläuferin, überzeugte Christin und Parlamentsabgeordnete und ehemalige Vorsitzende der regierenden Fidesz-Partei. Vom Forbes-Magazin wurde sie 2020 und 2021 zur einflussreichsten Frau Ungarns gekürt. Kurzum, Novák scheint die ideale Kandidatin des Fidesz für das Amt der Staatspräsidentin zu sein, das am Donnerstag vom ungarischen Parlament neu gewählt wird: Sie repräsentiert traditionelle, konservative Rollenbilder, ist Fidesz-treu und erscheint dennoch nach außen hin fortschrittlich und progressiv (Ungarn weist in der EU die zweitniedrigste Frauenquote in der Politik auf, Anm.).

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Ihre Wahl gilt als so gut wie sicher: Die Fidesz-Partei hält die Zwei-Drittel-Mehrheit im wählenden Parlament. Zwar hat die Opposition nach Wochen der Uneinigkeiten selbst einen eigenen Bewerber nominiert, der gilt aber nicht mehr als ein Zählkandidat: Péter Róna, ein 79-jähriger Ökonom und Banker, ist 1956 nach dem Ungarn-Aufstand in die USA emigriert und hat später in Oxford studiert und gelehrt. Er ist nicht zuletzt deshalb chancenlos, weil er unter anderem den umstrittenen sozialistischen Ministerpräsidenten und Hauptfeindbild Orbáns Ferenc Gyurcsány beraten hat.

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Internationale Beobachter werfen Regierungschef Viktor Orbán vor, er würde zentrale Ämter in Verwaltung, Stiftungen, staatsnahen Organisationen und Politik rechtzeitig mit Loyalisten besetzen, um seine Macht trotz seiner möglichen Abwahl am 3. April langfristig zu erhalten. Viele der Amtsträger wurden mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament ernannt und wären gemäß der jetzigen Verfassung von einer neuen Regierung nicht abwählbar.

Wahl am 3. April

Jeweils 15 Minuten werden Novák und der Róna am Donnerstag im Parlament Zeit haben, um ihre Überzeugungen und Vorstellungen von der Amtsführung darzulegen. Novák versprach zuletzt Taten anstatt Gesten. Als erste Staatspräsidentin Ungarns werde sie nie zum Abbau der Rechtsstaatlichkeit beitragen, denn der Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung sei Aufgabe des Präsidenten, unabhängig von politischer Zugehörigkeit. "Wer meint, ich würde eine Marionette sein, der unterschätzt die Frauen", reagierte Novák auf die Vorwürfe der Opposition. Die passionierte Marathonläuferin betonte nach ihrer Nominierung: "Ich bleibe, wer ich bin."

Am 3. April wird in Ungarn ein neuer Ministerpräsident gewählt. Viktor Orbán, dem längstdienenden Regierungschef in der EU, steht eine geeinte Opposition gegenüber mit einem Kandidaten, Péter Márki-Zay. In den Umfragen liegen aktuell beide gleich auf. Staatsnahe Institute sehen den Fidesz wenige Prozentpunkte vorne, regierungsunabhängige die Opposition.