Ukraine prüft russischen Einsatz von Chemie-Waffen in Mariupol
In seinem Lagebericht zum Ukraine Krieg warnte das britische Verteidigungsministerium gestern davor, dass Russland bei seinen Angriffen auf Mariupol Phosphormunition einsetzen könnte. Die Chance sei hoch, da Russland solche Munition bereits im März in der Region Donezk eingesetzt haben soll.
"Es gibt eine Theorie, dass es sich um Phosphormunition handeln könnte“, sagte die stellvertretende ukrainische Verteidigungsministerin Hanna Maljar dann heute, Dienstag, im Fernsehen. Bestätigt wurde der Einsatz noch nicht. Die Informationen würden noch überprüft, aber vorläufige Daten auf einen Einsatz von Phosphormunition hindeuteten. "Offizielle Informationen kommen später."
Unter Phosphormunition versteht man Geschosse, die durch Phosphor im Ziel eine Brandwirkung haben. Auf der Haut verursacht Phosphor schwere Verbrennungen. Durch die geschädigte Haut dringt Phosphor in den Körper ein, brennt weiter und schädigt innere Organe.
Chemikalien versprüht?
Zudem wurden gestern Berichte laut, dass russische Streitkräfte in der Hafenstadt Chemiewaffen eingesetzt haben sollen. Demnach soll eine Drohne eine unbekannte Substanz versprüht haben, was wiederum zu Atemnot und Ataxie, also einer massiven Nervenschädigung bei den Betroffenen geführt habe. Getroffen worden seien sowohl ukrainische Soldaten als auch Zivilisten.
Berichte darüber waren in allen größeren ukrainischen Medien zu lesen, alle hatten jedoch nur die eine Quelle - das rechtsextreme Asow-Regiment, das zu den ukrainischen Streitkräften gehört, als ultranationalistisch gilt und zudem Feindbild Nummer eins der Russen ist.
Ob der Angriff tatsächlich stattgefunden hat, ist aktuell schwer zu beurteilen, da sich in Mariupol keine unabhängigen Journalisten mehr befinden.
So will die Ukraine die unbestätigten Informationen über einen möglichen Einsatz von Chemiewaffen nun prüfen. Am Montag warnte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij davor, dass Russland Chemiewaffen einsetzen könnte.
Russland dementiert
Pro-russische Separatisten in der ostukrainischen Region Donezk, die sich gemeinsam mit russischen Truppen um die endgültige Einnahme Mariupols bemühen, bestritten einen Einsatz von Chemiewaffen. Das meldete die russische Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf Eduard Bassurin, einen Kommandeur der Separatisten. Das Verteidigungsministerium in Moskau reagierte zunächst nicht auf eine Anfrage.
Großbritannien und die USA wiederum erklärten, ihnen seien Berichte bekannt, dass Russland möglicherweise bereits chemische Kampfstoffe im Kampf um Mariupol verwendet haben könnte.
"Dinge, die jenseits des Erlaubten liegen“
Falls Russland tatsächlich Chemie-Waffen eingesetzt hat, dann sind der britischen Regierung zufolge für eine Reaktion darauf alle Optionen auf dem Tisch.
"Es gibt einige Dinge, die jenseits des Erlaubten liegen“, sagte der für die Streitkräfte zuständige Minister James Heappey dem Sender Sky News. Ein Einsatz chemischer Waffen würde eine Reaktion des Westens hervorrufen. "Alle Optionen liegen auf dem Tisch, wie diese Reaktion aussehen könnte.“
Bislang habe der britische Militärgeheimdienst keine Bestätigung für die Informationen über einen C-Waffen-Einsatz. Auf die Frage von LBC Radio, ob Heappey bei einer Reaktion auf eine bewiesene Anwendung solcher Kampfstoffe einen Einsatz britischer oder Nato-Soldaten auf ukrainischem Boden ausschließen könne, antwortete er: „Nein, alle Optionen sind auf dem Tisch.“
Der BBC sagte Heappey zudem, der russische Präsident Wladimir Putin solle sich darüber im Klaren sein, dass der Einsatz von Chemie-Waffen schlicht nicht akzeptabel sei. "Er sollte nicht erwarten, dass der Westen tatenlos zusieht, wenn sie eingesetzt werden.“
Zuvor hatte Russland der Ukraine vorgeworfen, den Einsatz von Chemiewaffen vorzubereiten. Dass die USA von einem möglichen russischen Einsatz solcher Waffen sprächen, sei nichts anderes als ein Ablenkungsmanöver, hatte die russische Führung im März erklärt. Chemische Kampfstoffe gehören zu den Massenvernichtungswaffen und sind weltweit geächtet.