Wagner-Aufstand hat russische Moral geschwächt
Die Moral der russischen Streitkräfte in der Ukraine dürfte nach Ansicht britischer Geheimdienstexperten durch den Abschuss von Hubschraubern und eines Flugzeuges während des Wagner-Aufstands geschwächt worden sein.
Das ging aus dem Geheimdienstbericht des Verteidigungsministeriums in London zum Krieg in der Ukraine am Donnerstag hervor.
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Weiters in diesem Artikel:
- Polen will wegen Wagner-Truppen in Belarus Ostgrenze verstärken
- Bis zu 8.000 Wagner-Kämpfer in Belarus
- Vorab-Info zu Aufstand: Kreml spricht von "Spekulation"
- Ukraine: Langsamer Vormarsch an mehreren Fronten
„Kurzfristig wird der psychologische Schock, eine große Zahl an Crewmitgliedern auf diese Weise verloren zu haben, beinahe sicher die Moral der russischen Luftstreitkräfte schwächen“, so die Mitteilung.
Den Wagner-Söldnern wurde vom Kreml nach dem Aufstand Straffreiheit zugesagt.
Längerfristig könnte sich nach Ansicht der Briten insbesondere der Verlust eines als fliegendem Kommandostand genutzten Flugzeugs des Typs Il-22M negativ auf Russlands militärische Fähigkeiten auswirken.
Demzufolge verfügte Moskau nur über bis zu zwölf Flugzeuge dieses Typs, die eine wichtige Rolle bei der Koordinierung von Aktivitäten im russischen Angriffskrieg in der Ukraine spielten.
Deren Aufgaben müssten womöglich verringert werden, um sie besser zu schützen. Das werde wahrscheinlich Russlands militärische Fähigkeiten einschränken.
Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin hatte am Samstag zwischenzeitlich unter anderem die südrussische Stadt Rostow am Don besetzt und ließ seine Kämpfer dann Richtung Moskau marschieren. Rund 200 Kilometer vor der russischen Hauptstadt gab er überraschend auf.
Berichten zufolge schossen sie dabei mehrere russische Kampfhubschrauber und das Flugzeug vom Typ Il-22M ab.
Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko vermittelte in dem Konflikt. Prigoschin und seinen Söldnern wurde von Kremlchef Putin Straffreiheit zugesichert.
Prigoschin ist nach Angaben Lukaschenkos inzwischen in Belarus eingetroffen. Lukaschenko hat auch den Kämpfern der Söldnertruppe Aufnahme in seinem Land angeboten.
Polen will Ostgrenze verstärken
Wegen der geplanten Verlegung russischer Wagner-Söldner ins Nachbarland Belarus will Polen seine Ostgrenze noch stärker sichern.
Geplant sei sowohl eine Aufstockung der dort stationierten uniformierten Kräfte als auch eine Erhöhung der Anzahl "verschiedener Arten von Hindernissen und Befestigungen zum Schutz unserer Grenze", sagte Vize-Regierungschef Jaroslaw Kaczynski am Mittwochabend nach einer Sondersitzung eines Regierungskomitees für Sicherheits- und Verteidigungsfragen.
Bis zu 8.000 Wagner-Kämpfer in Belarus
Nach Angaben Kaczynskis hat Polen Erkenntnisse, wonach bis zu 8.000 Wagner-Kämpfer in Belarus unterkommen könnten. Das EU- und NATO-Mitglied Polen hat eine 418 Kilometer lange Grenze zu Belarus.
Im Spätsommer und Herbst 2021 war die Situation dort eskaliert: Tausende Menschen versuchten, illegal in die EU zu gelangen.
Die Europäische Union beschuldigt Lukaschenko, in organisierter Form Migranten aus Krisenregionen an die EU-Außengrenze gebracht zu haben, um Druck auf den Westen auszuüben. Polen hat die Landabschnitte der Grenze seitdem mit einem 5,5 Meter hohen Zaun gesichert.
Vorab-Info zu Aufstand: Kreml spricht von "Spekulation"
Der Kreml hat einen US-Medienbericht als „Spekulation“ zurückgewiesen, wonach Russlands Vize-Generalstabschef Sergej Surowikin von Prigoschins Plan im Vorfeld gewusst haben soll.
„Es gibt jetzt um diese Ereignisse herum viele unterschiedliche Spekulationen und Tratsch“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Mittwoch nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen. „Ich denke, das ist ein Beispiel dafür.“
Die New York Times hatte zuvor unter Berufung auf US-Sicherheitskreise berichtet, dass Surowikin im Vorfeld von dem Aufstand der Wagner-Gruppe gewusst habe. US-Beamte wollten nun herausfinden, ob der Armeegeneral bei der Planung geholfen haben könnte.
Surowikin gilt als Verbündeter Prigoschins, er hatte sich aber noch in der Nacht auf Samstag auf die Seite des Machtapparats in Moskau geschlagen. In einer Videobotschaft hatte Surowikin Prigoschin dazu aufgerufen, den Machtkampf zu beenden.
Ukraine: Langsamer Vormarsch an mehreren Fronten
Die ukrainische Armee hat nach eigenen Angaben den russischen Gegner an mehreren Frontabschnitten um über einen Kilometer zurückgedrängt.
Insbesondere im Umland der ostukrainischen Stadt Bachmut liege die Initiative laut Verteidigungsministerium derzeit auf ukrainischer Seite.
Die Ukrainer setzen sich laut Vizeverteidigungsministerin Hanna Maljar auf neu erreichten Positionen fest. "Der Feind zieht seine Reserven heran und klammert sich an Bachmut mit allen seinen Kräften", unterstrich sie.
Ukrainische Vorstöße habe es etwa in Richtung der Dörfer Klischtschijiwka und Kurdjumiwka südwestlich der zerstörten Stadt gegeben, so Maljar auf Telegram. Bachmut war von den Russen im Mai unter hohen Verlusten nach monatelangen schweren Kämpfen erobert worden.
Bei den Kämpfen an der Südfront an der Grenze zwischen den Gebieten Saporischschja und Donezk haben sich die ukrainischen Truppen Maljar zufolge in den eroberten Stellungen festgesetzt.
"Sie lassen das gegnerische Offensivpotenzial ausbluten, zerstören Ausrüstung, Lager, Kommando- und Kontrollpunkte und Personal", schrieb sie.
Die russische Seite ziehe in diesen Bereichen ebenso Reserven heran.