Geheimdienst: Russland hat zu wenig Munition und Raketen
Den russischen Truppen in der Ukraine mangelt es nach Einschätzung britischer Militärgeheimdienste an Munition und Raketen.
Zwar seien seit Oktober Zehntausende Rekruten mobilisiert worden, der Mangel an Material aber wiegt schwer. "Trotz der Linderung des unmittelbaren Personalmangels bleibt ein Munitionsmangel höchstwahrscheinlich der wichtigste einschränkende Faktor für russische Offensivoperationen", hieß es am Samstag vom britischen Verteidigungsministerium.
In den letzten Tagen schon wurde die personelle Aufstockung der russischen Streitkräfte auf 1,5 Millionen Mann, wie von Russland skizziert, vom britischen Geheimdienst stark bezweifelt.
Angriffe reduziert
Aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit von Marschflugkörpern habe Russland laut Briten seine Angriffe mit Langstreckenraketen auf die ukrainische Infrastruktur auf etwa einmal pro Woche beschränkt.
Der Vorrat an Artilleriemunition genüge nicht für größere Offensivoperationen. Das liege daran, dass auch für die Verteidigung entlang der Front täglich zahlreiche Granaten und Raketen gebraucht würden.
Das deckt sich mit Erkenntnissen, wie sie die ukrainische Führung vor einigen Tagen geäußert hatte. Demnach würden die russischen Bestände an Raketen nur noch für wenige massive Angriffe reichen. "Wenn man Großangriffe zählt, dann bleiben ihnen maximal zwei bis drei, vielleicht können sie (Raketen für) vier zusammenkratzen", sagte der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats, Olexij Danilow.
Der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats hatte jedoch auch schon knapp einen Monat davor von russischen Kapazitäten für maximal drei bis vier massiven Raketenattacken gesprochen. Seitdem hat Moskau aber bereits drei Großangriffe mit jeweils mindestens 70 Raketen durchgeführt.
Dass Russland immer wieder Probleme mit seinen Raketen hat, zeigte der US-Geheimdienst schon kurz nach Kriegsbeginn auf.
Moskau bereitet in Belarus möglichen Angriff vor
Russland schafft nach Einschätzung des US-amerikanischen Instituts für Kriegsstudien (ISW) in Belarus weiter die Voraussetzungen für einen möglichen Angriff auf den Norden der Ukraine. Auch das ukrainische Militär teilte am Samstag mit, dass Russland Bataillone dorthin verlegt habe.
Die ISW-Experten meinten zwar, dass ein solcher Angriff weiter unwahrscheinlich sei. Er sei aber möglich. Und die Gefahr müsse ernst genommen werden. Als ein Indiz dafür, dass Russland von dort aus angreifen könnte, wurde die Einrichtung eines Feldlazaretts angesehen.
"Feldhospitäler sind nicht notwendig für Übungen und können ein Hinweis auf die Vorbereitung von Kampfhandlungen sein", teilte das ISW mit. Anfang des Jahres sei die Einrichtung diese Lazarette in Belarus ebenfalls ein Indiz dafür gewesen – unmittelbar vor Beginn der großen russischen Invasion.
In Belarus hatte der von Moskau politisch und finanziell abhängige Machthaber Alexander Lukaschenko seine Militärbasen für die Angriffe auf die Ukraine zur Verfügung gestellt. Die Ukraine sieht Belarus als Kriegspartei.
Sieben Tote in Cherson
Bei russischem Beschuss des Zentrums der ukrainischen Stadt Cherson sind nach Angaben der Präsidialverwaltung in Kiew zehn Menschen getötet und 55 weitere verletzt worden. Darunter seien 18 Schwerverletzte, teilte der Vizechef des Präsidialamtes in Kiew, Kyrylo Tymoschenko, am Samstag mit.
Zuvor hatte er von 5 Getöteten und 20 Verletzten gesprochen. Tymoschenko veröffentlichte dazu in seinem Kanal des Messenger-Dienstes Telegram Fotos von leblosen Menschen im Zentrum der unlängst von der russischen Besatzung befreiten Stadt.
Nach ukrainischen Angaben beschießen russische Truppen die Stadt weiter aus anderen Teilen des besetzten Gebiets Cherson. Der Großteil des Gebiets wird weiterhin von russischen Truppen kontrolliert. Russland hatte die Region Cherson annektiert.
"Die Russen haben wieder Terror verübt und das Stadtzentrum beschossen", teilte Tymoschenko mit. "Menschen sind gestorben, Gebäude sind zerstört."
Am Samstag seien wegen des Wochenendes viele Menschen auf den Straßen unterwegs gewesen.
Terrorstaat Russland
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij verurteilte den Anschlag als weiteres Verbrechen des "Terrorstaates" Russland direkt vor Weihnachten. Die Fotos von den Toten würden von sozialen Netzwerken sicher markiert wegen des Inhalts. "Aber das ist kein sensibler Inhalt, das ist das reale Leben der Ukraine und der Ukrainer", sagte er. Es gebe dort keine militärischen Ziele. Das sei kein Krieg. "Das ist Terror, das ist Töten um der Einschüchterung und des Vergnügens willen", meinte Selenskij.
Ukrainische Truppen hatten die Stadt Cherson im Herbst nach einem Abzug der russischen Streitkräfte eingenommen. Die russischen Besatzer zogen sich auf die andere Seite des Flusses Dnipro zurück. Der Kreml hatte betont, dass Russland die gesamte Region Cherson als sein Staatsgebiet ansehe und nicht aufgebe.