Über 400 Bootsflüchtlinge sitzen vor Malta fest
Rund 20 Kilometer vor der Küste Maltas liegen vier Schiffe - eigentlich größere Touristenboote, auf denen sonst Urlauber ihren Ausflugsfahrten genießen. Nun harren 425 Migranten teilweise schon seit mehreren Wochen auf den von der Regierung von Malta angemieteten Booten aus.
Die Migranten waren aus Seenot gerettet worden, doch an Land dürfen sie nicht. Malta hat seine Häfen wegen der Corona-Pandemie gesperrt. Die Lage auf den Schiffen wird vom UN-Flüchtlingshilfswerk mittlerweils als "inakzeptabel" beschrieben. Kein EU-Land hat sich bisher bereit erklärt, die Flüchtlinge aufzunehmen, Maltas Premier beklagt die mangelnde Solidarität der EU-Mitgliedsstaaten. Insgesamt sind heuer bereits knapp 1.300 Migranten auf der kleinen Mittelmeerinsel gelandet.
Das kleine EU-Land macht seit langem Druck auf Brüssel und andere EU-Staaten, dass die Menschen verteilt werden müssen. „Anstatt die Geretteten an einem sicheren Ort an Land zu bringen, wie es das Völkerrecht verlangt, werden sie für politische Verhandlungen unter den EU-Mitgliedstaaten benutzt“, kritisierte die Menschenrechtsorganisation SOS Mediterranee.
Eigentlich hätten die Migranten nach einem bereits vereinbarten Aufteilungsschlüssen an mehrere EU-Staaten übergeben werden sollen. Deutschland, Frankreich, Italien und Malta hatten sich im September auf einen „vorübergehenden Solidaritätsmechanismus“ geeinigt. Eine Gruppe von EU-Staaten soll sich dabei bereit erklären, von Italien und Malta gerettete Bootsflüchtlinge abzunehmen. Damit sollte genau das verhindert werden, was nun wieder geschieht: Dass Schiffe mit Flüchtlingen weiter tage- oder wochenlang auf hoher See ausharren müssen, bis die Verteilungsfrage geklärt ist.
Doch der Plan blieb im Anfangsstadium stecken. Die in der EU extrem umstrittene Frage der Flüchtlingsaufnahme wurde zudem durch die Corona-Pandemie und damit verbundene Grenzschließungen weiter kompliziert. Italien und Malta haben seit Anfang April alle ihre Häfen für Schiffe mit Flüchtlingen geschlossen.
In den vergangenen Wochen hat die Zahl der ankommenden Flüchtlinge auch auf der italienischen Insel Lampedusa wieder zugenommen. Vor allem tunesische Migranten versuchen, mit kleineren Booten direkt die zwischen Sizilien und Tunesien gelegene Insel zu erreichen. Allein in der letzten Woche trafen 600 Migranten ein.
Deren alte Boote sind am Freitagabend auf der Insel in Brand gesetzt worden. Wegen des Brandes entwickelte sich schwarzer und dichter Rauch, der von großer Entfernung zu sehen war. Feuerwehrmannschaften arbeiteten stundenlang, um die Flammen zu löschen. Die Staatsanwaltschaft leitete eine Untersuchung wegen Brandstiftung ein.
Der Bürgermeister der Insel, Salvatore Martello, warnte, dass die Insel mit ihren 6.500 Einwohnern nicht in der Lage sei, alle Migranten im lokalen Hotspot unterzubringen. Auch Martello drängt: Die Migranten müssten unbedingt von der Insel geholt und verteilt werden. Knapp 5.300 Migranten sind heuer in
Italien angekommen.
Die Frage der Flüchtlingsverteilung spaltet die EU schon lange. Hauptankunftsländer wie Italien, Malta und Griechenland verlangen von den EU-Partnern regelmäßig mehr Solidarität. Einige osteuropäische Länder, allen voran Ungarn, Polen, Tschechien, die Slowakei, aber auch Österreich verweigern aber jegliche Aufnahme von aus Seenot geretteten Migranten.
Wegen des erbitterten Streits kommt auch eine seit Jahren geplante EU-Asylreform nicht voran. Die seit Dezember im Amt befindliche EU-Kommission musste die Vorstellung eines neuen Vorschlags immer wieder verschieben. Sie will diesen nun bis Ende des Monats vorlegen.