Grenzkontrollen: Darum will Kickl die Verlängerung
Seit 2015 kontrolliert Österreich seine Grenzen zu Slowenien und Ungarn – und will das weiterführen. Eine Verlängerung der Kontrollen am Brenner und an der deutschen Grenze ist laut Innenministerium nicht geplant. Deutschland will vorerst ab 11. November nicht mehr kontrollieren.
Wird die EU-Kommission der Verlängerung der Grenzkontrollen zustimmen?
Seit Einführung der Kontrollen 2015 wiederholt die Kommission in Brüssel gebetsmühlenartig: Europa müsse möglichst rasch wieder zur völligen Reisefreiheit zurückkehren, die Kontrollen seien nur eine vorübergehende Maßnahme. Bisher aber wurden alle Ansuchen der sechs Länder, die derzeit Grenzkontrollen durchführen, immer anstandslos verlängert.
Innenminister Kickls Brief ist am Donnerstag in Brüssel eingetroffen, er wird nun geprüft. Die Antwort erfolgt binnen weniger Wochen.
Kann die Kommission auch nein sagen?
Das könnte sie, es wäre aber eher unwahrscheinlich. Kickl begründet die Verlängerung der Grenzkontrollen unter anderem mit der erhöhten Sicherheitsgefährdung. Das gibt der Kommission den rechtlichen Spielraum, die Verlängerung der Kontrollen zuzulassen.
Ginge es nur darum, einen (derzeit nicht stattfindenden) starken Zustrom von Flüchtlingen zu kontrollieren, wäre nach den Regeln des Schengen-Raums eine weitere Verlängerung von Kontrollen nicht möglich.
Frankreich argumentiert offen mit „akuter Terrorgefahr“. In einem Schreiben an die EU äußert die Regierung in Paris die Sorge vor Anschlägen durch die verstärkte Rückkehr von Dschihadisten aus Syrien. 400 von ihnen sollen aus Frankreich stammen.
Welche Gründe wurden noch angegeben?
Das Innenministerium macht seine Entscheidung unter anderem an „zuletzt verstärkten Migrationsbewegungen entlang der Adriaküste Richtung Slowenien“ fest, überdies sei in den vergangenen Monaten seitens der griechischen Behörden eine hohe Anzahl von Migranten von den Inseln auf das griechische Festland verlegt worden.
„Es ist daher mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass ein großer Teil dieser Personen nicht in Griechenland verbleiben wird, sondern versuchen wird, nach Mitteleuropa zu gelangen“, hieß es gegenüber dem KURIER. Außerdem sei ein Verzicht auf Grenzkontrollen „ein falsches Signal für Schlepper“. Diese würden dann ihre Aktivitäten intensivieren.
Was, wenn Brüssel nein sagt?
Lehnt die Kommission eine abermalige Verlängerung der Grenzkontrollen ab, gibt es zunächst einmal „Konsultationen“ mit dem jeweiligen Land. Strafen wären zunächst nicht vorgesehen.
Und wer kontrolliert und schützt überhaupt Europas Außengrenzen?
Der Schutz der Grenzen ist Aufgabe des jeweiligen EU-Staates. Seit dem Vorjahr werden an den Außengrenzen des Schengenraums die Reisepässe mit Fahndungslisten und Datenbanken der Sicherheitsbehörden verglichen. Rund 1.500 Beamte der EU-Grenzschutzagentur Frontex sind zusätzlich eingesetzt bei der Rettung von Flüchtlingen aus Seenot, aber auch bei der Rückführung von illegalen Migranten.
Maßnahmen, die indirekt auch dem EU-Grenzschutz dienen, sind die Ausbildungs- und Trainingsmissionen für Armee und Polizei – etwa in Mali und Niger sowie in Afghanistan. Dazu zählen auch die Ausbildungshilfen für die libysche Küstenwache.
Wie viele Flüchtlinge und Migranten kamen heuer in Europa an?
Im Gegensatz zum Vorjahr sind deutlich weniger Menschen nach Europa gelangt – seit Jahresbeginn 105.242 (2017: 186,768). Allein aus Libyen kamen im Vergleichszeitraum 2017 98.784 Flüchtlinge und Migranten nach Italien. In der vergangenen Woche waren es 272.Durch die fehlende Seenotrettung ist das Risiko, im Mittelmeer zu ertrinken, drastisch gestiegen: Von fünf Menschen, die den Weg über die Mittelmeerroute wählen, stirbt laut einer italienischen Denkfabrik einer.
Wie viele Aufgriffe und Asylanträge gab es heuer in Österreich?
Laut Innenministerium wurden seit Jahresbeginn 18.653 illegale Einwanderer an der österreichischen Grenze aufgegriffen, im Vorjahr waren es 27.627.
9337 stellten heuer einen Asylantrag. Im Vergleich zu 2017 gingen die Anträge um 46,27 Prozent zurück.
Wie viel kostet der Grenzeinsatz in Österreich seit 2015?
Aus dem Innenministerium heißt es gegenüber dem KURIER, dass die Grenzkontrollen seit 2015 insgesamt 106,7 Millionen Euro gekostet haben. Das Bundesheer, das im Assistenzeinsatz steht, überwacht die „grüne Grenze“ – das kostete seit Beginn 125,6 Millionen Euro.
Wie reagiert die Opposition?
Die NEOS nahmen die neue Ankündigung zum Anlass, für kommenden Freitag eine Sondersitzung im Parlament einzuberufen: „Es geht der Regierung nicht um Lösungen, sondern einzig und allein darum, weiter Ängste zu schüren“, sagte NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger.