SPD knapp vor CDU: Das Feilschen ums Kanzleramt wird lang
Der erste Blick war ein Blick zurück. Als Armin Laschet, Spitzenkandidat von CDU/CSU am Abend nach den ersten Hochrechnungen vor die Mikrofone im Berliner Konrad-Adenauer-Haus trat, bedankte er sich zuerst bei Angela Merkel. Das historisch schlechte Ergebnis, das er selbst als ihr Erbe an der Parteispitze eingefahren hatte, hakte Laschet fast beiläufig ab. Man sei „nicht zufrieden“, meinte der Rheinländer fast lapidar zu den 24,7 Prozent Wählerstimmen, die die Union bekommen hat. Das ist noch einmal um 9 Prozentpunkte schlechter als das Wahlergebnis von 2017.
Gegen rote Regierung
Für Laschet aber ist das fürs erste kein Grund, seinen Anspruch auf das Kanzleramt aufzugeben. Jede Stimme für die Union habe einen klaren Auftrag enthalten, meinte er, und der sei, eine „rot geführte Bundesregierung zu verhindern“. Damit stellt der Unionskandidat offen Anspruch auf das Kanzleramt.
Wahrscheinlich wusste Olaf Scholz schon von der offenen Kampfansage seines wichtigsten Gegenspielers, als er kurz nach Laschet im Willy-Brandt-Haus in Berlin vor die Mikrofone trat. Der SPD-Spitzenkandidat, der mit 25 Prozent vorläufig ganz knapp auf Platz eins gelandet war, gab sich zurückhaltend. Er sprach zwar vom Plan, regieren zu wollen, und dass die Wähler „einen Kanzler Olaf Scholz“ wollten, blieb aber vorerst vor allem dabei, sich bei den Wählern zu bedanken. Immerhin hat der Hamburger, der einst unter dem SPD-Kanzler Gerhard Schröder in die Spitzenpolitik vorgerückt war, die SPD von Tiefstständen rund um 15 Prozent auf Platz eins gehievt. Lauter war die Freude aus der übrigen SPD-Spitze. So jubelte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil: „Die SPD ist zurück. Die Menschen wollen einen Kanzler Olaf Scholz.“
Ein Weg zum Kanzler Scholz scheint aber nach diesem Wahlabend endgültig verbaut. Eine Dreierkoalition mit Grünen und der Linkspartei geht sich voraussichtlich nicht aus. Grund ist der Absturz der Linken, die sich mit 5 Prozent gerade in den Bundestag retten konnten.
Feiern und Enttäuschung
Wie dieser Zweikampf ums Kanzleramt in Berlin ausgehen wird, hängt damit also vor allem von zwei Parteien ab: Der FDP und den Grünen.
Die Grünen konnten mit 14,8 Prozent zwar über einen historischen Wahlsieg jubeln. Doch aus dem Kanzleranspruch, den Spitzenkandidatin Annalena Baerbock gestellt hat, ist in schmerzhafter Klarheit nichts geworden. Und Baerbock machte aus ihrer Enttäuschung kein Hehl. „Wir wollten mehr“, meinte die frühere Journalistin aus Hannover merklich geknickt und gestand ein, dass es vor allem ihre persönlichen Fehler gewesen seien, die den Triumph, der vor Monaten noch in Reichweite schien, verhindert hatten.
FDP selbstbewusst
Solche Zweifel waren FDP-Chef Christian Lindner nicht anzumerken. Der Ex-Unternehmensberater aus Wuppertal feierte die 11,7 Prozent der Liberalen als historischen Erfolg. Lindner sprach von einem „Erfolg der politischen Mitte“ und davon, dass das Ergebnis der FDP eine „besondere Verantwortung zuwachsen“ lasse. Man sei bereit „seinen Beitrag zu leisten“, machte Lindner seinen Anspruch mitregieren zu wollen sehr deutlich. Wie problematisch die Liberalen bei einem Tauziehen um die Regierung sein können, hatte Lindner schon 2017 demonstriert, als er im letzten Moment aus Verhandlungen mit Union und Grünen ausscherte. Damit erst wurde die Große Koalition von Union und SPD als letzte Lösung notwendig. Von der will nach dieser Wahl niemand mehr reden.
So liefert der Wahlabend vorerst in allen Parteien nur verhaltenen Jubel. Das Tauziehen ums Kanzleramt könnte lang werden.
Die reine Freude herrschte nur bei den Grünen in Berlin. Bei den dortigen Kommunalwahlen hat man die SPD von Platz eins verdrängt. Das Bürgermeisteramt in der Hauptstadt wird Bettina Jarasch nicht zu nehmen sein.