Politik/Ausland

Schwerkranke müssen Betten in Ungarns Krankenhäusern für Corona räumen

"Sie schmeißen ihn einfach raus", sagt eine Ungarin, deren 79-jähriger Vater im St. Margit Krankenhaus lag. "Eine Frau rief mich am Nachmittag an, dass ich meinen Vater bis am nächsten Tag, 11 Uhr, abholen soll." Als sie der Krankenhausangestellten erklärte, dass das so kurzfristig kaum möglich sei, sagte diese nur, dass der Mann ansonsten vor die Tür gesetzt werde, es sei eine "Order von oben".

Das berichtete das Online-Portal Index wie andere kritische Medienkanäle. Sozialminister Miklós Kásler hatte in einem Brief an die öffentlichen Krankenhäuser des Landes deren Leitern 8 Tage Zeit gegeben, um 60 Prozent ihrer Betten freizuräumen - sie sollen für Corona-Patienten zur Verfügung gestellt werden.

Die Frist endete am Ostersonntag. Bis dahin sollten 36.000 der rund 60.000 Spitalsbetten leergeräumt sein, so die Vorgabe der Orbán-Regierung. Dafür mussten chronisch Kranke, Demente, Frischverletzte und etwa alte Menschen ohne Angehörige in der Nähe.

"Tödlicher als Corona"

"Diese Aktion könnte mehr Tote fordern als Covid selbst", sagte ein leitender Mediziner gegenüber dem Portal 444.hu. Zudem würden von den 60.000 ungarischen Spitalsbetten nur in rund 1.500 Menschen tatsächlich beatmet werden.

Viele der Patienten benötigen rund um die Uhr Pflege, die man von den Angehörigen nicht voraussetzen kann. Andere wohnen alleine und werden dort einfach hingebracht. Ob sie dort sich selbst überlassen sind, bleibt offen.

Doch der Vater der eingangs erwähnten Ungarin wurde von der Tochter abgeholt. Sie ist sich sicher, dass das Krankenhauspersonal ihn sonst vor die Tür gesetzt hätte.

Wer Betten nicht räumt, räumt den Posten

Denn die öffentlichen Krankenhäuser stehen enorm unter Druck: Wer die Deadline nicht eingehalten hat, riskierte seine eigene Versetzung oder Kündigung. Wie etwa Péter Cserhátim der Leiter des National Institute of Medical Rehabilitation in Budapest.

Sein Rehabilitations-Zentrum hätte 200 Betten zur Verfügung stellen sollen, was es laut Sozialministerium nicht tat. "Der Generaldirektor hat die notwendigen Vorbereitungen nicht getroffen und die erfolgreiche Kontrolle der Epidemie und der Patientenversorgung ernsthaft gefährdet", hieß es in einem Statment des Ministeriums. Cserhátim hatte nicht genügend Betten geräumt - und musste jetzt seinen Posten räumen.

Kanzleramtsminister Gergely Gulyás kommentierte Kündigungen nach Verstreichen der Frist emotionslos: "Jeder muss den Verordnungen Folge leisten. Irgendwer muss schließlich die Verantwortung tragen."

Alle Inhalte anzeigen