Seitenhieb gegen Österreich: Scholz will Schengen-Beitritt Rumäniens noch heuer
Von Caroline Ferstl
Im imposanten Präsidentenpalast, dem Schloss Cotroceni in Bukarest, spricht der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lieber über den deutsch-rumänischen Freundschaftsvertrag als über die innerkoalitionären Reibereien der vergangenen Wochen: Im Vorjahr hatte das Abkommen seinen 30. Geburtstag gefeiert. Das Jubiläum habe beide Länder einander "noch näher gebracht, wenn das überhaupt ging". Ganz so eng dürfte man das vergangene Jahrzehnt dann aber doch nicht gewesen sein – zumindest reichte die Freundschaft für keinen Besuch der deutschen Kanzlerin. Angela Merkel (CDU) war das letzte Mal 2010 in Bukarest.
Das Balkanland erhoffte sich von dem Besuch wohl vor allem eines: die Garantie eines starken Fürsprechers in der EU für den Schengen-Beitritt des Landes. Deutschland stand schon bei der Abstimmung im Dezember des Vorjahres auf der Seite des 19,2-Millionen Einwohner Landes – Österreich votierte damals allerdings dagegen. Rumänien wartet wie Bulgarien seit 2011 auf die Aufnahme in den Schengen-Raum, dem inzwischen 27 Länder angehören, darunter 23 EU-Staaten.
Jetzt gab der deutsche Kanzler den Rumänen eine Garantie: Geht es nach Scholz, soll das Land noch heuer Teil des Grenzkontrollen-freien Raums werden – vor den Europa- und den Parlamentswahlen in Rumänien 2024. "Ich werde versuchen, diejenigen, die skeptisch sind, zu überzeugen, dass sie diesem Schritt zustimmen", so Scholz, wohl an Österreich gerichtet.
Die österreichischen Ängste, der Beitritt Rumäniens zum Schengenraum könnte die illegale Migration erhöhen, ließ Scholz zwar außen vor; Rumäniens Präsident Klaus Iohannis betonte in dem Zusammenhang ein Pilotprojekt an der rumänisch-serbischen Grenze, wo die Kontrolle und Effizienz der rumänischen Behörden unter Beweis gestellt würde.
Österreich fordert EU-Mittel für Grenzzäune
In Wien fand Scholz’ Forderung wenig Gehör. "An der Position Österreichs hat sich nichts geändert. Reisefreiheit innerhalb der EU ist nur bei einem robusten Außengrenzschutz möglich. Es ist widersprüchlich, dass der deutsche Kanzler zwar die Grenzkontrollen zwischen Rumänien und Ungarn aufheben will, Deutschland aber weiter die Grenzen zu Österreich kontrolliert. Das zeigt ganz klar, dass das System nicht funktioniert", so Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) zum KURIER.
Damit Österreich einem Schengenbeitritt Rumäniens (und Bulgariens) zustimme, forderte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) zuletzt den Bau von Grenzzäunen mit EU-Mitteln. Bisher hatte sich die EU-Kommission geweigert. Rumänien selbst kann daran wohl nur wenig ändern. Scholz: "Rumänien hat alle Voraussetzungen erfüllt, damit der Schengen-Beitritt stattfinden kann."
Deutsche Wirtschaftsinteressen
Hinter dem deutschen Einsatz steckt wohl auch die neue Bedeutung, die das Land mit seiner 450 Kilometer langen Grenze zur Ukraine seit Kriegsbeginn für die NATO-Mächte hat: Über die Grenze gelangen Getreideexporte aus und Waffenlieferungen in die Ukraine.
Daraus ergeben sich auch deutsche Wirtschaftsinteressen: Unlängst hat der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall angekündigt, noch im April ein Wartungs- und Logistikzentrum für die in die Ukraine gelieferten Waffen und Fahrzeuge in Rumänien einzurichten "Deutschland ist zentraler Investor in Rumänien. Unser Handelsaustausch erreichte zuletzt ein neues Rekordhoch", betonte Scholz neben Iohannis. Hinter ihm leuchteten die Flaggen Rumäniens, Deutschlands, der EU – und der NATO.