Rumänien-Wahl wird neu ausgezählt: Gab es "Manipulation durch eine Diktatur"?
Von Konrad Kramar
Rumäniens Verfassungsgericht hat am Donnerstag die Neuauszählung aller Stimmen bei der umstrittenen Präsidentenwahl angeordnet. Ob die Wahl annulliert wird, das wird erst morgen entschieden, das Gericht hat dazu zusätzliche Daten eingefordert.
Angefochten wurde die Wahl, bei der Calin Georgescu als Sieger hervorging, von zwei unterlegenen Kandidaten - Cristian Terhes und Sebastian Popescu vom souveränistischen Lager. Ihre Begründung: Georgescu habe seine Wahlkampffinanzierung nicht offengelegt.
Zahlreiche Kommentatoren in Rumänien vermuten, dass Russland hinter dem Wahlerfolg des Rechtsradikalen Georgescu stecke, ganz ähnliche Vorwürfe erheben führende EU-Politiker aus Rumänien in Brüssel
"Ausgeklügelte Strategie dahinter"
23 Prozent für einen bis dahin völlig unbekannten Kandidaten. Der völlig überraschende Erfolg eines Ultrationalisten bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in Rumänien sorgt auch in Brüssel für Nervosität. Nicht einmal aufgetaucht in den Umfragen sei dieser Calin Georgescu noch wenige Wochen vor der Präsidentschaftswahl, sagt Siegfrid Muresan, prominenter EU-Parlamentarier aus Rumänien gegenüber dem KURIER: "Noch zwei Tage vor der Wahl lag er bei zehn Prozent. Da steckt eine ausgeklügelte Strategie dahinter."
Der Christdemokrat äußert also nicht nur offen Zweifel an der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in Rumänien, er hat auch eine ganz klare Erklärung für den Ausgang parat: "Eine Diktatur, die die EU schwächen will, hat diese Wahlkampagne unterstützt, direkt, oder indirekt."
Ganz ähnlich sieht das der grüne EU-Parlamentarier Nico Stefanuta, der ebenfalls aus Rumänien stammt: "Diese Wahlkampagne eines Außenseiters war perfekt und hochprofessionell organisiert, mit riesigem finanziellen Aufwand. Es gibt zwar vorerst noch keine Beweise, aber das ist aus dem Ausland unterstützt worden."
Finanzierung völlig unklar, Polizei ermittelt
Muresan hat gemeinsam mit Wahlkampf-Experten in Brüssel die Kampagne Georgescus näher analysiert. Schon die Finanzierung dieser Kampagne sei völlig unklar. Während der Kandidat seine Kosten für den Wahlkampf mit null Euro angegeben habe, seien die tatsächlichen Geldgeber für die fast ausschließlich über das soziale Netzwerk TikTok geführte Kampagne unbekannt. Georgescu jedenfalls weigerte sich gegenüber den Behörden Auskunft zu geben: "Das Ganze ist völlig intransparent."
Die fehlenden Unterlagen für die Finanzflüsse waren auch Inhalt jener Beschwerde von zwei der unterlegenen Kandidaten beim rumänischen Verfassungsgerichtshof. Zudem ermitteln Staatsanwalt und Polizei in der Causa, sie wurden von der Wahlbehörde hinzugezogen. Rumänische Medien mutmaßen, dass die Gelder des bekennenden Putin-Bewunderers von Moskau aus geflossen sein dürften, möglicherweise über den moldauischen Oligarchen Ilan Shor, der sich nach Moskau abgesetzt hat. Ein Hinweis dafür war Georgescus Online-Wahlkampf, der jenem des pro-russischen Lagers in Moldau bei der jüngsten Präsidentenwahl auffällig ähnlich war; dort ist Russlands Einmischung evident.
"Man wusste genau, wenn man anpeilte"
Georgescu, ein ehemaliger Spitzenbeamter, stammte aus einer ganzen Gruppe weitgehend unbekannter Kandidaten, die entweder von kleinen, ebenso bisher unbekannten Parteien aufgestellt worden waren oder im Alleingang kandidierten. Die Entscheidung des externen Akteurs, ganz auf Georgescu setzen, sei offenbar erst "im letzten Moment vor der Wahl" getroffen worden, sagen die EU-Parlamentarier. "Das Ziel, also die möglichen Wähler, die hatte man zuvor schon genau ins Visier genommen, nicht über Wochen, sondern über Monate, vielleicht Jahre. Man wusste genau, wenn man anpeilte: Menschen, die sich schwach und verletzlich, von der Gesellschaft zurückgelassen fühlen. Die extremistischen Botschaften verfolgen oder Verschwörungstheorien."
Riese TikTok-Nutzergemeinde
Rumäniens Bevölkerung ist für eine solche Kampagne über TikTok sehr gut geeignet, rund neun Millionen Menschen sind regelmäßig auf TikTok, sagt Muresal - anders als etwa in Österreich ist die Plattform auch im ländlichen Raum und bei Personen über 30 sehr verbreitet. Dazu kommt ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber traditionellen Medien wie dem Fernsehen oder Tageszeitungen. Eine Zielgruppe, die bei Georgescus Kampagne ebenfalls ins Visier genommen wurde, waren Rumänen im westeuropäischen Ausland, etwa in Deutschland oder Österreich. Mit beachtlichem Erfolg: In Deutschland etwa stimmten mehr als 50 Prozent der dort lebenden Rumänen für Georgescu. Rumänen im Exil, so analysiert der Christdemokrat Muresan, würden sich meistens nur noch über soziale Medien über ihre Heimat informieren, sie seien also für diese Botschaften besonders anfällig.
Ob im Exil oder irgendwo in einem Dorf, die Botschaften über Tiktok seien genau auf die jeweilige Zielgruppe abgestimmt gewesen, waren durchgehend heiter und unterhaltsam: "Die Leute, die sich das anschauten, fühlten sich unterhalten, in Wahrheit wurden sie beeinflusst, konsequent manipuliert." Für Maresan ist die Wahl in Rumänien Teil einer internationalen Strategie: "Wir haben das Gleiche kürzlich bei den Wahlen in Moldau gesehen, oder bei den Wahlen in Georgien." Rumänien aber sei der nächste Schritt: "Jetzt hat es zum ersten Mal in einem EU-Land funktioniert – und darum wird man es in weiteren EU-Ländern ganz genau so fortsetzen."