Ruhe vor dem Sturm: Gibt es heute keinen Geiseldeal, könnte der Iran angreifen
Von Johannes Arends
Von den USA wurde der Gipfel im Vorfeld zum „Showdown“ ernannt.
Zehn Monate dauern die Kämpfe im Gazastreifen nun schon an, fast genauso lange schlagen auf beiden Seiten der Grenze zwischen Israel und dem Libanon Raketen ein. In all der Zeit wird täglich im Hintergrund über Geiseldeals und einen möglichen Waffenstillstand verhandelt – doch noch nie stand so viel auf dem Spiel wie am Donnerstag in Doha.
Sollte sich diesmal wieder keine Lösung finden, dürfte der Iran keine andere Wahl haben, als den angedrohten Großangriff auf Israel wahr zu machen und damit möglicherweise den gefürchteten großen Krieg in der Region vom Zaun zu brechen.
In den zwei Wochen seit der Tötung des Hamas-Chefs Ismail Hanyeh in Teheran durch einen – wohl israelischen – Raketenangriff haben die USA viel getan, um das iranische Regime von der versprochenen Rache abzuhalten: Sie haben Truppen und Flugzeugträger in die Region verlegt, aber eben auch versprochen, dass die Chance auf einen Verhandlungserfolg besteht, solange die Situation nicht eskaliert.
Das schien Früchte zu tragen: Iranische Regierungsvertreter erklärten am Dienstag, im Falle eines Waffenstillstands würden sie von Vergeltung absehen.
„Keine Ausreden mehr“
Dementsprechend stark erhöhten die USA gemeinsam mit den anderen Vermittlerstaaten Ägypten und Katar den Druck auf Israel und die Hamas. „Es gibt keine zulässigen Ausreden mehr von irgendeiner Seite für weitere Verzögerungen“, so US-Chefverhandler Amos Hochstein.
Als Grundlage für die Verhandlungen soll jener Plan dienen, den US-Präsident Joe Biden schon vor drei Monaten präsentiert hatte. Demnach sollen alle noch lebenden israelischen Geiseln im Austausch gegen gefangene Palästinenser freigelassen werden, die israelische Armee sich anschließend vollständig aus dem Gazastreifen zurückziehen und ein dauerhafter Waffenstillstand beschlossen werden.
Machen Netanjahu und der neue Hamas-Chef Sinwar mit?
Trotz der verschärften Voraussetzungen ist die Sorge groß, dass die beiden Hauptverantwortlichen beider Konfliktparteien eine Einigung ausschließen. Unter ihrem neuen Anführer Yahya Sinwar wirkt die Hamas noch weniger kompromissbereit als zuvor und boykottierte die Verhandlungen sogar öffentlich – auch auch wenn die Kataris den USA offenbar vermittelten, dass der Kontakt trotzdem nie abgerissen sei.
Doch auch Israels Premier Benjamin Netanjahu scheint nicht gewillt, Frieden unter den gestellten Bedingungen zu akzeptieren. Zwar erteilte er den israelischen Vertretern in Doha – angeführt von Mossad-Chef David Barnea – erstmals das alleinige Verhandlungsmandat, doch die stellten noch am Donnerstag neue Bedingungen.
Israelische Soldaten sollten auch bei einem Waffenstillstand weiter die Grenzen des Gazastreifens – auch zu Ägypten – kontrollieren dürfen und die Hamas müsse als Zeichen des guten Willens sofort 33 Geiseln freilassen. Eine entsprechende Namensliste habe man nach Doha mitgenommen.
Fest steht: Keine Seite – Israel, die Hamas und der Iran – ist gewillt, Zugeständnisse zu machen, die einen Gesichtsverlust bedeuten würden. Zumindest ein positives Signal kam vorab aus Doha: Bei positivem Verlauf würden die Verhandlungen am Freitag weitergehen, hieß es. Die Zeichen dafür mehren sich. Die israelischen Unterhändler würden über Nacht in Katar bleiben, wie eine mit den Gesprächen vertraute Person der Deutschen Presse-Agentur bestätigte.