Politik/Ausland

Weiterer Putin-Kritiker "aus Fenster gestürzt"

Der ehemalige russische Öl-Tycoon Michail Rogatschew, einst Vizepräsident des Ölkonzerns Jukos, wurde am vergangenen Samstag tot vor seinem Haus in Moskau aufgefunden. Laut einem Bericht des „Telegraph“ soll Rogatschew aus dem zehnten Stock seines Apartments gestürzt sein.  Die offizielle Version des Kreml: Ein Agent des russischen Auslandsgeheimdienstes, der gerade einen Spaziergang machte, habe den Leichnam entdeckt.

Rogatschew, 64 Jahre alt, soll einen Abschiedsbrief hinterlassen haben, und offiziell wird sein Tod als Suizid behandelt. Doch Zweifel an dieser Version werden laut. Familienangehörige und Freunde des Verstorbenen betonten, dass er sich vor seinem Tod in guter Verfassung befand und es keine Anzeichen für einen Selbstmord gegeben habe. Zudem widersprachen sie der Behauptung, dass Rogatschew an Krebs erkrankt war, wie einige Quellen angeben.

Rogatschew war eine bedeutende Figur in der russischen Energiewirtschaft. Zwischen 1996 und 2007 arbeitete er für Jukos, das Unternehmen, das von Michail Chodorkowski gegründet wurde. Chodorkowski, der als prominenter Kremlgegner bekannt ist, wurde 2003 verhaftet, offiziell wegen Steuervergehen, und Jukos wurde zerschlagen. Nach Chodorkowskis Verhaftung wechselte Rogatschew in die Führung des Bergbau- und Metallunternehmens Norilsk Nickel, das von Wladimir Potanin geleitet wird.

Potanin, der heute als reichster Mann Russlands gilt und ein enger Vertrauter von Präsident Wladimir Putin ist, spielte eine Schlüsselrolle in der russischen Wirtschaft. Rogatschew hatte zudem zwischen 2011 und 2015 den Russischen Fonds für technologische Entwicklung geleitet.

Mysteriöse Todesfälle

Der Tod Rogatschews reiht sich in eine Serie mysteriöser Todesfälle von russischen Energiemanagern ein. Seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine 2022 sind fast ein Dutzend prominenter Vertreter der Öl- und Gasindustrie unter unklaren Umständen ums Leben gekommen. Zu den bekanntesten Fällen zählt der Vorstandschef des Ölkonzerns Lukoil, Rawil Maganow, der 2022 aus einem Fenster eines Moskauer Krankenhauses stürzte. Auch Lukoil-Manager Alexander Subbotin starb 2022, angeblich während einer okkulten Behandlung gegen Alkoholsucht. Ein weiterer Vorfall betraf Leonid Schulman, Leiter der Transportabteilung von Gazprom Invest, der im Januar 2022 tot in einem Haus nördlich von Sankt Petersburg aufgefunden wurde.

Diese mysteriösen Todesfälle werfen Fragen auf, da sie vor allem seit der russischen Invasion in der Ukraine gehäuft auftreten. Während die offizielle russische Seite diese Vorfälle häufig als Unfälle oder Suizide darstellt, gibt es Spekulationen, dass diese Tode mit internen Machtkämpfen oder politischer Vergeltung zusammenhängen könnten. Insbesondere Vertreter von Unternehmen, die in der russischen Energiebranche tätig sind, scheinen immer wieder ins Visier zu geraten.

Eng mit dem Kreml verbunden

Die Energiebranche in Russland spielt eine zentrale Rolle in der Wirtschaft des Landes und ist stark mit der politischen Elite verknüpft. Viele dieser Firmen und ihre Führungskräfte sind eng mit dem Kreml verbunden. Die Vermutungen über mögliche Verbindungen zwischen diesen Todesfällen und politischen oder wirtschaftlichen Interessen werden weiter befeuert durch die enge Beziehung einiger dieser Personen zum russischen Präsidenten Putin und seinem Umfeld.

Obwohl bisher keine schlüssigen Beweise für eine gezielte Tötungsserie vorliegen, bleibt die Häufung der Todesfälle von Managern der Energiewirtschaft auffällig. Die internationale Gemeinschaft und Beobachter in Russland verfolgen die Entwicklungen mit wachsendem Interesse, insbesondere im Hinblick auf mögliche Enthüllungen oder Ermittlungen, die Licht in die Hintergründe dieser tragischen Ereignisse bringen könnten.

Der Tod von Michail Rogatschew ist ein weiteres Kapitel in der Liste unerklärlicher Schicksale hochrangiger Persönlichkeiten in der russischen Energiewirtschaft, die in den letzten Jahren ums Leben gekommen sind.