Wahl in Polen: "Das ist das Ende der PiS-Regierung"
Von Jens Mattern
„Wir haben es geschafft, die Demokratie hat gewonnen.“ "Die Herrschaft der PiS ist vorbei."
Oppositionschef Donald Tusk war nach ersten Hochrechnungen vor seinen Parteimitgliedern siegessicher: Zwar erhielt die Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) mit 36,8 Prozent die meisten Stimmen.
Doch die Partei des Herausforderers, die liberalkonservative Bürgerkoalition (KO), kann mit zwei weiteren Oppositionsparteien zusammen eine Mehrheit bilden. Dabei erreichte die KO 31,6 Prozent, das christlich-agrarische Bündnis „Dritter Weg 13 Prozent und die „Neue Linke“ 8,6 Prozent.
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Ergebnis erst am Dienstag
Die PiS unter ihrem Gründer Jaroslaw Kaczynski kann allein mit der Rechtsaußen-Allianz Konföderation koalieren, die hat jedoch nur 6,2 Prozent erreicht – das reicht nicht für eine Mehrheit. Die Stimmung bei der Wahlparty der Nationalkonservativen war darum gedämpfter, auch wenn Jaroslaw Kaczynski den Sieg der Partei in Anspruch nahm – und eine dritte Amtszeit ankündigte. Der 74-jährige meinte drohend: „Wir erlauben es nicht, dass Polen verraten wird.“
Donald Tusk erklärte, dass man die Wahl bis Dienstag überwachen werde, „sodass uns keine Stimme verloren geht.“ Es gibt ein allgemeines Misstrauen unter regierungskritischen Polen, dass die Nationalkonservativen die Macht nicht einfach aus der Hand geben werden.
Hohe Wahlbeteiligung
Da die Wahlbeteiligung deutlich höher war als 2019 – man rechnet mit bis zu 70 Prozent –, dauert es möglicherweise sogar bis Dienstag, bis das endgültige Ergebnis feststeht. Das liegt auch daran, dass am Sonntag nicht nur das Parlament gewählt wurde, sondern zeitgleich auch eine Volksabstimmung stattfand – über Details des EU-Migrationspakts, Grenzschutz, Pensionen und die Privatisierung von Staatsunternehmen. Ein Clou der Regierenden: Der Opposition werden bei diesen Themen Forderungen in die Schuhe geschoben, die die gar nicht umsetzen will.
Die PiS unter ihrem Chef Jaroslaw Kaczynski und Premier Mateusz Morawiecki warb mit Sozialpaketen, ihre Wähler dominieren auf dem strukturschwachen Land und unter Rentnern. Für die gab es extra Fahrdienste an die Wahlurnen. Auch der 84-jährige Jan Tomasz hat sein Kreuz bei der PiS gemacht, weil sie „katholische Werte“ vertritt. Er sieht in der liberalen Opposition die alten Kommunisten wiederkehren, den Protest vor zwei Wochen, als fast eine Million in Warschau für einen Machtwechsel demonstrierten, empfand er als „aggressiv und lärmend“.
"Letzte freie Wahlen"
Auch OSZE-Mitarbeiter waren in den Wahllokalen, sie schauten bei der Vergabe der Stimmzettel zu. Pia Kauma, Leiterin der Delegation, gab eine kurze Pressekonferenz. Ihre 120 Beobachterinnen und Beobachter hätten alle eine Akkreditierung bekommen, eine Verletzung des Wahlrechts sei nicht beobachtet worden. Mehr gebe es am Montag zu hören.
Dabei gibt es an diesem Sonntag dringende Fragen. So wurden OSZE-Beobachter bei mehreren Veranstaltungen von PiS-Chef Kaczynski nicht zugelassen, auch sechs kleinere Wahlbeobachtungs-Organisationen beschwerten sich, dass ihre Mitglieder keine Akkreditierung erhielten. Davon habe Kauma jedoch nichts gehört, sagt sie.
Unter Regierungskritikern gelten die Wahlen schon jetzt als unfair, manche Medien titeln sogar „Die letzten freien Wahlen in Polen“, eine Anspielung an das noch autoritärer regierte Ungarn.
Die Schieflage ist aber sichtbar: Das öffentlich-rechtliche Fernsehen wurde von der PiS in ein Propaganda-Instrument umgeformt, das den Gegner verunglimpft. Wahllokale in Städten und im Ausland, wo das Gros der Polen die Opposition bevorzugt, sind überlastet.
Das könnte gerade für die Bürgerkoalition schwierig werden: Haben die Wahllokale nicht binnen 24 Stunden alle Wahl- und Referendumsbögen ausgezählt, entfallen alle Stimmen. Das war schon vor der PiS so – allerdings hat die Regierungspartei die Regelung noch verschärft. Jetzt muss jedes Mitglied der Wahlkommission die Zettel kontrollieren, was noch länger dauert.
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