Polnische Ministerin: Abtreibungsrecht auch in Österreich gefährdet
Die polnische Gleichstellungsministerin Katarzyna Kotula sieht auch das österreichische Abtreibungsrecht als gefährdet an. "Wenn Sie denken, dass das in Österreich nicht passieren kann, liegen Sie falsch", sagte Kotula im APA-Interview mit Blick auf die rigiden Regelungen in ihrer Heimat, die noch in den 1980er Jahren von Frauen aus ganz Europa für Abtreibungen aufgesucht worden sei. Schon im Jänner will sie einen neuen Anlauf zur Lockerung des Abtreibungsverbots starten.
"Wenn es möglich ist, sichern sie [das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, Anm.] ab, in der Verfassung oder jedem anderen Rechtsdokument", empfahl die Sozialdemokratin den Befürwortern des geltenden Abtreibungsrechts.
Auch müsse man aufmerksam sein, was kleine Warnsignale betrifft. Konservative Parteien würden nämlich nicht sofort das Abtreibungsrecht ins Visier nehmen, sondern zunächst einmal mit stereotypischen Geschlechterrollen operieren oder unscheinbaren Gesetzesänderungen. So habe die konservative Regierung nach ihrem Amtsantritt im Jahr 2015 die Abtreibungspille verschreibungspflichtig gemacht, was "nur eine kleine Sache" war. "Es ist wie der sprichwörtliche Frosch im Kochtopf. Man fühlt sich nicht gekocht, bis es zu spät ist."
Neuer Anlauf bei Abtreibungsrecht im Jänner
Kotulas Sozialdemokraten gehören einer lagerübergreifenden Regierung mit Konservativen und Liberalen an, die vor einem Jahr die umstrittene rechtsnationale PiS-Regierung abgelöst hat.
Das Thema Abtreibung trug stark zum Wahlsieg bei, spaltet aber die Regierungsparteien. Im Sommer scheiterte ein erster Anlauf für eine Liberalisierung ganz knapp im Parlament. Kotula will sich nicht entmutigen lassen und verweist auf Argentinien, wo erst der neunte Versuch erfolgreich gewesen sei. Sie will nun schrittweise vorgehen. Im Jänner soll zunächst die Beihilfe zur Abtreibung straffrei gestellt werden, ebenso wie Abtreibungen von fehlgebildeten Föten. Die Fristenlösung soll dann erst übernächstes Jahr - also ein Jahr vor der Parlamentswahl - beschlossen werden. "So lautet unser Plan", sagte Kotula.
Derzeit sind Abtreibungen in Polen nur bei Gefahr für Leib und Leben oder nach Vergewaltigungen erlaubt.
Von entscheidender Bedeutung für die künftige Regierungsarbeit wird die Präsidentenwahl im Mai sein. "Es stimmt: Wenn wir diese Wahl nicht gewinnen, wird das Weiterarbeiten für uns unmöglich sein", sagte Kotula mit Blick auf das Vetorecht des Staatspräsidenten. Der rechtskonservative Amtsinhaber Andrzej Duda nutzt es ausgiebig, um Beschlüsse der Parlamentsmehrheit zu vereiteln. Sollte ihm ein PiS-Politiker im Amt folgen, wäre die Parlamentsarbeit für die restliche Legislaturperiode lahmgelegt.
Auf die Frage, ob sich die Regierung bereits einen "Plan B" für diesen Fall zurecht gelegt hat, antwortete Kotula zustimmend, ohne Details zu nennen. Es sei aber "sehr wahrscheinlich", dass das Regierungslager - konkret wohl der konservative Warschauer Bürgermeister Rafal Trzaskowski - die Wahl gewinnen werde. Entscheidend dafür sei, dass die Regierungsparteien ihre Anhänger mobilisieren und in der Stichwahl an einem Strang zögen.
Warnung vor "Rache" von PiS bei Wahlsieg
Kotula warnte vor einer Rückkehr der PiS an die Macht. Die polnische Demokratie wäre in diesem Fall noch stärker in Gefahr, weil die Partei auch auf "Rache" aus sei. Die Ministerin räumte ein, dass die aus insgesamt elf Parteien bestehende Regierung auch durch ihre Verantwortung für die Demokratie im Land zusammengehalten werde. Eine weitere Amtszeit der PiS "würde Polen absolut töten, wir würden wohl noch tiefer sinken als Ungarn", sagte sie. Um die Demokratie im Land abzusichern, seien dringend Gesetzesänderungen in den Bereichen Justiz und Medien erforderlich. Diese wolle man nach der Präsidentenwahl umgehend einleiten.
Im ersten Halbjahr wird die polnische Regierung auch den EU-Ratsvorsitz führen. Kotula will sich in ihrem Bereich vor allem des Themas Künstliche Intelligenz annehmen. "Es gibt hier eine rasche Entwicklung, die außer Kontrolle zu geraten scheint", warnte sie vor Phänomenen wie Deepfakes, die insbesondere jüngere Frauen gefährden.
Die frühere Tennisspielerin hat selbst Erfahrungen mit sexueller Gewalt, wurde sie doch als Minderjährige von ihrem Trainer missbraucht. "Meine Familie und Tochter haben erst vor zwei Jahren davon erfahren", sagte die Politikerin, die wegen ihres Eintretens für Frauenrechte Morddrohungen ausgesetzt ist. Beim Interview zeigte Kotula ein Plakat, auf dem ihr Foto neben jenem des NS-Massenmörders Adolf Hitler zu sehen ist.
Lage in Syrien "genau beobachten"
Zurückhaltend äußerte sich Kotula zum Umsturz in Syrien. "Wir haben gesehen, was mit den Frauen in Afghanistan passiert ist, das hat nicht gut ausgesehen", sagte sie. "Wann immer ein autoritäres Regime an die Macht kommt, baut es zuerst die Frauenrechte ab."
Auf die Frage, ob man nun bereits Flüchtlinge nach Syrien zurückschicken sollte, sagte sie, dass man die Situation in den nächsten Wochen genau beobachten müsse. Es sei aber ein "gutes Zeichen", dass Menschen bereits zurückkehren und das Land offenbar als sicher ansehen.
(Das Gespräch führte Stefan Vospernik/APA)