Polen: Kaczynski will in der Koalition aufräumen
Von Jens Mattern
Nächste Woche wird es amtlich – dann wird Jaroslaw Kaczynski, Chef der Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) von Staatspräsident Andrzej Duda zum Vizepremier vereidigt und somit offiziell Teil der Regierung werden. Formal nur ein einfacher Abgeordneter, wirkt der 71-jährige seit dem ersten Wahlsieg 2015 als Graue Eminenz an der Weichsel, die an den Strippen zieht sowie das letzte Wort hat.
Die PiS-Parteizentrale, ein dunkel gehaltener Flachbau am Rande des Zentrum Warschaus gilt darum als der wahre Königspalast des Landes mit knapp vierzig Millionen Einwohnern. Duda wurde von ihm als Kandidaten aufgestellt, der heutige Premierminister Mateusz Morawiecki, ein ehemaliger Banker von seiner Gnade auf den Posten gehoben. Als ein langjähriger Zögling seiner Gunst gilt Justizminister Zbigniew Ziobro – doch dieser hat auch Eigenwillen.
Mehr Kontrolle
Und dies ist ein wichtiger Grund für den Regierungseinstieg Kaczinskys, der sich im November wieder zum ersten Partei-Vorsitzenden wählen lassen will. Der Nationalkonservative braucht mehr Kontrolle. Extra für ihn wurde eine Art Aufsichtskommission geschaffen, bei der er den Ministern für die Justiz, das Innere und die Verteidigung auf die Finger schauen und gegebenenfalls klopfen kann.
Denn Ziobro, der auch einer Kleinpartei namens „Solidarisches Polen“ vorsteht, verweigerte bei einer Abstimmung vor zwei Wochen Kaczynski den Gehorsam. Dieser drohte mit Neuwahlen und Amtsenthebung, worauf der 50-jährige einknickte.
Zudem sind sich der weiter rechts stehende Ziobro und der liberaler orientierte Morawiecki in herzlicher Abneigung verbunden. Beide Politiker haben ihre Lager hinter sich. Kaczynskis Entscheidung offiziell mitzumischen dient somit nicht dazu, Polens Probleme zu lösen, sondern die Rankünen innerhalb der Regierungskoalition „Vereinigte Rechte“ einzudämmen.
Justiz und Medien als nächste Projekte
Unter der umittelbaren Regie des „ersten“ Vizepremiers werden dann auch anstehende Projekte bald angepackt – so soll die Justizreform weiter voran getrieben werden. Personalveränderungen sind im Obersten Gericht sowie in den Verwaltungsgerichten vorgesehen, Berufungsgerichte sollen ganz abgeschafft werden. Auch die „Dekonzentration der Medien“ ist wieder im Gespräch – dabei würden dann vor allem dem schweizerisch-deutschen Verlag „Ringier Springer“, der deutschen „Bauer Media“ und der deutschen „Verlagsgruppe Passau“ Titel via Zwangsverkauf abgenommen werden.
Auf der anderen Seite bietet Kaczynski als Regierungsmitglied auch mehr Angriffsfläche als zuvor – dies könnte die Opposition mehr mobilisieren, die angesichts des internen Gezänks letztens nur eine marginale Rolle spielte.