Umstrittene Pensionsreform: Warum es in Paris noch länger stinken wird
Von Simone Weiler
An den Straßenrändern türmen sich die Müllsäcke und Kartons, mit jedem Tag werden sie mehr. 9,4 Tonnen Abfall wurden laut Rathaus in der französischen Hauptstadt Paris bis Donnerstag nicht eingesammelt. Denn die Müllabfuhr streikt seit 6. März, um die Proteste gegen die Pensionsreform von Präsident Emmanuel Macron zu unterstützen.
Touristen staunen, Gesundheitsexperten warnen vor Ratten und Gastronomen klagen über ausbleibende Kunden in den Außenbereichen. Am Mittwoch kündigte das Innenministerium an, die Stadt dazu zu zwingen, Personal zu verpflichten. Die sozialistische Bürgermeisterin Anne Hidalgo hatte der Streikbewegung zuvor ihre „totale Unterstützung“ ausgesprochen.
Die umstrittene Pensionsreform sieht die Erhöhung des Pensionsalters von 62 auf 64 Jahre vor. Der Widerstand dagegen dürfte auch nicht so bald nachlassen, die Regierung griff am Donnerstag hart durch. Am Vormittag segnete der konservativ dominierte Senat die Reform ab, nachdem sie im Parlament keine Mehrheit gefunden hatte. Bis zuletzt war unsicher, ob in der Nationalversammlung genügend Stimmen zusammenkommen würden, verfügt Macrons Partei dort doch nur über eine relative Mehrheit.
Unter Buhrufen durchgeboxt
Premierministerin Élisabeth Borne setzte daher den Verfassungsartikel „49.3“ ein, mit dem das Gesetz ohne ein Votum verordnet werden kann. Indirekt gestanden Macron und sie damit ihr Scheitern ein. Man hatte zuvor stets betont, einen anderen Weg finden zu wollen. Unter lauten Buhrufen aus den Reihen der linken Opposition schritt Borne dann am Nachmittag an das Rednerpult in der Nationalversammlung. Sie musste gegen die lärmende Menge anschreien, um ihre Entscheidung zu verteidigen.
„Man kann nicht eine Wette auf die Zukunft unserer Renten eingehen, diese Reform ist notwendig“, so Borne. Sie wolle aber nicht den ursprünglichen Entwurf der Regierung umsetzen, sondern einen Kompromiss. Mehrere Oppositionspolitiker kündigten trotzdem sofort ein Misstrauensvotum gegen die Premierministerin an.
"Borne muss gehen"
Zu ihnen gehörte auch die Fraktionschefin des rechtsextremen Rassemblement National in der Nationalversammlung, Marine Le Pen. „Borne muss gehen“, sagte sie in die Fernsehkameras. Doch um die Regierungschefin zu stürzen, würden auch Stimmen der konservativen Republikaner benötigt. Von diesen sprachen sich zwar viele gegen die Rentenreform aus. Doch es gilt als unwahrscheinlich, dass sie noch mehr als ohnehin zu einer politischen Krise beitragen wollen.
In Umfragen sprechen sich ungefähr 70 Prozent der Franzosen gegen die Reform aus. Hunderttausende gingen in den vergangenen Monaten dagegen auf die Straße oder legten die Arbeit nieder. Die Pariser Müllabfuhr will mindestens bis 20. März weiter streiken.