Politik/Ausland

Palästinenser wütend: Nahostplan für "Müll der Geschichte"

Auf den Straßen von Gaza und im Westjordanland machen wütende Palästinenser am Mittwoch ihrer Wut über den von Donald Trump präsentierten US-Friedensplan freien Lauf. Dass radikale, aber auch gemäßigte Palästinenser Sturm laufen, ist kein Wunder: Kein Palästinenser eingebunden, niemand hat mit ihnen verhandelt. Und jeder der bisher vorgestellten Friedenspläne hätten ihnen mehr gebracht als dieser jetzt.

Trumps Nahostplan werde "im Mülleimer der Geschichte landen": So eindeutig und wütend fiel die Reaktion von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas Dienstagabend aus. Und er setzte ironisch nach: „Nachdem wir all diesen Müll gehört haben, sagen wir erneut 'Nein' zum 'Deal des Jahrhunderts'.“ Als solchen hatte der israelische Premier Benjamin Netanjahu den Plan gelobt.

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„Der 'Deal des Jahrhunderts'  ist Nonsens, es ist ein feindlicher Deal“,  sagte auch ein führender Vertreter der im Gazastreifen herrschende islamistische Hamas. „Die Palästinenser werden alle möglichen Anstrengungen mit allen Mitteln aufwenden, um ihn zu bekämpfen, bis er gescheitert ist.“ Netanjahu hat die Hamas wissen lassen, dass sie laut dem Plan ihre Waffen abgeben müsse.

Widerstand aufgeben

„Kurzfristig ist es nicht wirklich wichtig, was die Palästinenser sagen. Wir werden ihnen diese Option vier Jahre lang offen halten, sagte der US-Botschafter in Israel, David Friedman, gegenüber Journalisten. Die für einen künftigen Palästinenserstaat ausgewiesenen Flächen sollen dem Plan zufolge in den kommenden vier Jahren unberührt bleiben, damit die Palästinenser die Anforderungen für einen eigenen Staat erfüllen können. Daher hätten die Palästinenser Zeit, ihren Widerstand aufzugeben.

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Was ihnen jetzt angeboten wird: Etwas 70 bis 80 Prozent des Westjordanlands, das Israel seit dem Sechstagekrieg 1967 besetzt hat. Die großen israelischen Siedlungen im Westjordanland soll Israel erhalten; den Palästinensern bliebe ein Fleckerlteppich im Westjordanland samt israelisch kontrollierter Checkpoints zwischen den Gebieten und einem meterhohen Schutzwall - der auch bleiben soll - zu israelischem Gebiet. Vom Gazastreifen zum Westjordanland soll ein unterirdischer Gang gebaut werden, damit das Gebiet am Mittelmeer nicht abgeschnitten ist.

Als Hauptstadt des künftigen Palästinenserstaates, der keine Armee besitzen dürfte, schlägt Trump einen Vorort von Jerusalem vor, der bereits von einem hohen Sicherheitswall vom eigentlichen Jerusalem abgetrennt ist. Die Kontrolle über die Grenzen hätte Israel. Das Jordanland würde ebenfalls unter Israels Kontrolle stehen.Als "Zuckerl" lockt er mit Milliarden-Dollar-Finanzspritzen für die Palästinenser - das meiste Geld erwartet Trump aber von arabischen Gebern. So seien bei einer Geberkonferenz internationale Investitionen von 50 Milliarden Dollar versprochen worden.

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Die Palästinenserführung hatte den Plan bereits vorab als Verstoß gegen UN-Resolutionen und geltendes Völkerrecht zurückgewiesen. Abbas wirft Trump vor, in dem Konflikt einseitig Partei für Israel zu ergreifen, und boykottiert deshalb die Zusammenarbeit. Die Palästinenser haben zu „Tagen des Zorns“ aufgerufen.

Premier Netanjahu stand derweil strahlend im Weißen Haus und lobte Trump:  „Ihr Deal des Jahrhunderts ist die Gelegenheit des Jahrhunderts. Seien Sie versichert, dass Israel diese Gelegenheit nicht verpassen wird.“ Der Israeli kann sich über Wahlkampfhilfe freuen, finden doch Anfang März die dritten Knessetwahlen innerhalb eines Jahres statt. Der Termin passte perfekt für den Israeli - aber auch wunderbar für Trump, der damit einmal mehr vom laufenden Impeachment-Verfahren ablenken konnte.

Sofortige Annektierung

Israels Verteidigungsminister, der ultrarechte Politiker Naftali Bennett, will sofort Nägel mit Köpfen machen: Er forderte die sofortige Annektierung von Israels Siedlungen im besetzten Westjordanland. Israel müsse umgehend 30 Prozent des Westjordanlands seinem Staatsgebiet einverleiben, sagte Bennett nach Angaben der „Jerusalem Post“ bei einer Sicherheitskonferenz in Tel Aviv. Bennett bekräftigte aber seine Ablehnung eines Palästinenserstaates, dessen Gründung Teil des Trump-Plans ist.

Bennett sprach von einer „großartigen diplomatischen Gelegenheit“, die man nicht verpassen dürfe. Sollte man sie bis nach der Wahl am 2. März verschieben, „dann wird es nie passieren“, sagte er. Er habe bereits ein Komitee gegründet, das sich mit der Umsetzung des Annektierungsvorhabens beschäftigen solle.

Generalstaatsanwalt bremst

Er reagierte damit offenbar auf die Bremsversuche von Israels Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit: Er hatte Dienstagabend  gesagt, es müsse sorgfältig geprüft werden, ob eine israelische Übergangsregierung dazu befugt sei, Teile des Westjordanlands zu annektieren.Zunächst hatte es geheißen, die Regierung wolle schon an diesem Sonntag für die Annektierung der Siedlungen im Westjordanland und des Jordantals stimmen. Tourismusminister Jariv Levin von der regierenden Likud-Partei sagte dem Armeesender jedoch am Mittwoch, die Abstimmung sei „aus technischen Gründen“ verschoben worden.

Netanjahu fliegt derweil von Washington nach Moskau. Dort will er am Donnerstag mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin den Nahost-Plan besprechen. „Ich hätte gerne eine Analyse durch ein Quartett internationaler Vermittler“, hatte der russsiche Außenminister Lawrow schon am Dienstag wissen lassen. Neben Russland meint er damit die Vereinten Nationen, die Europäische Union und die USA.

"Totgeburt"

International stieß der Plan auf ein gespaltenes Echo. Die UNO reagierte zurückhaltend, die EU ließ wissen, die Vorschläge Trumps "prüfen und bewerten" zu wollen. Klare Worte kamen hingegen aus Ankara: Das Außenministerium der Türkei, die enge Beziehung zu den Palästinensern pflegt, sprach von einer „Totgeburt“. Und weiter: „Es handelt sich um einen Annektierungsplan mit dem Ziel, die Zweistaaten-Lösung zu zerstören und die palästinensischen Gebiete zu erobern.“

"Albtraum"

Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif nannte den Plan „einen Albtraum für die Region und die Welt“. Ägypten reagierte verhalten. Die engen US-Verbündeten - die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien - begrüßten hingegen den Plan. Die Saudis riefen beide Seiten dazu auf, direkte Verhandlungen unter der Schirmherrschaft der USA zu beginnen.