Politik/Ausland

Neues Familienbild in China: Mehr Haustiere als Kinder - woran das liegt

In ferner Zukunft, wenn Historiker zurückblicken auf die erste Hälfte des 21. Jahrhunderts, werden sie wahrscheinlich sagen: Chinas großes Ziel, die USA irgendwann als reichste Nation der Welt abzulösen, ist an der eigenen Bevölkerung gescheitert. Denn mit dem seit Jahren steigenden Wohlstand der Chinesinnen und Chinesen schrumpft ihre Bereitschaft, Kinder zu bekommen.

Die Ein-Kind-Politik ist zwar seit fast zehn Jahren Geschichte, doch ihre Folgen sind noch heute spürbar. Vor allem auf dem Land trieben viele Familien weibliche Föten ab, wodurch es heute viel mehr Männer als Frauen in China gibt – konkret lag der Männerüberschuss 2023 bei rund 31 Millionen.

Daneben greifen im heutigen China Effekte, die sich auch in anderen hoch entwickelten Industrienationen beobachten lassen: Frauen sind zunehmend besser gebildet und verfügen über bessere Karrierechancen als früher. Gleichzeitig wird von Frauen immer noch häufig erwartet, klassischen Rollenbildern zu entsprechen.

Sie leisten Studien zufolge rund dreimal so viel unbezahlte Arbeit im Haushalt wie Männer. Zudem sind die durchschnittlichen Kosten für die Erziehung eines Kindes bis zum Erwachsenenalter im Vergleich zum Pro-Kopf-Gehalt doppelt so hoch wie in Deutschland.

All das führt dazu, dass Chinas Bevölkerung immer älter wird und zuletzt zwei Jahre in Folge schrumpfte. Die Geburtenrate lag 2023 bei nur 1,2 Kindern pro Frau. Damit verlor China im Vorjahr auch den Titel der bevölkerungsreichsten Nation der Erde an Indien.

Haustiere ersetzen zunehmend Kinder

Wie die US-Investmentbank Goldman Sachs in dieser Woche vorrechnete, hat die Entwicklung einen weiteren Effekt zur Folge, kinderlose chinesische Familien greifen nämlich zunehmend zum Halsband: In diesem Jahr wird die Zahl der Haustiere in China erstmals größer sein als jene der Babys und Kleinkinder (bis zu vier Jahren). Bis 2030, so heißt es in der Analyse, könnte es sogar doppelt so viele Haustiere wie Kinder in China geben.

Neben all den Nachteilen, die eine schwindende Bevölkerung für eine so gewaltige Volkswirtschaft mit sich bringt, bietet die Entwicklung demnach also auch Chancen. Der Markt für Tiernahrung explodiere regelrecht, dürfte bis 2030 pro Jahr im Schnitt um acht Prozent wachsen. 

Viele Familien, die keine Kinder zum Verwöhnen haben, würden zudem viel mehr Geld für ihre Haustiere geben als zuvor. Insgesamt dürfte sich der Markt für Haustierprodukte zwischen 2020 und 2025 verdreifachen.

Als Vorbild für die Berechnungen dient das benachbarte Japan – ein Land, das schon seit Jahrzehnten mit einer stetig sinkenden Bevölkerung kämpft. Dort gibt es bereits viermal so viele Haustiere (20 Mio.) wie Kinder (5 Mio.). 

Die größten Tierliebhaber leben aber in den USA: Dort übersteigt die Zahl der 84 Millionen Hunde und 60 Millionen Katzen sogar jene aller Unter-18-Jährigen.