Politik/Ausland

Nawalnys Tochter nimmt Menschenrechtspreis für ihren Vater entgegen

Sie habe sich schriftlich Ratschläge von ihrem Vater geholt, erzählt Darja Nawalnaja dem deutschen Spiegel. Immerhin war es für die 20-Jährige die erste Rede vor einem politisch so bedeutsamen Publikum wie dem Europaparlament in Straßburg. In seiner Vertretung nahm sie gestern den Andrej-Sacharow-Preis für Menschenrechte entgegen.

Ihre wichtigste Forderung richtete sich direkt an die EU: Es könne nicht sein, dass europäische Banken Milliardensummen von „Putin und seinen Freunden“ waschen würden und dass sich in Straftaten verwickelte Oligarchen weiter frei in Europa bewegen dürften.

Alexej Nawalny sitzt seit März in einem russischen Straflager. Nach seiner Genesung von der Vergiftung – allen Indizien zufolge durch den russischen Geheimdienst – war er bei der Rückkehr aus Deutschland verhaftet worden. Offizielle Begründung: Verstoß gegen Bewährungsauflagen. Es gehe ihm wieder ziemlich gut, erzählt die Tochter, „er ist wieder derselbe wie früher, platzt vor Ideen.“

Interviews

Nawalny selbst meldet sich auch in internationalen Medien zu Wort und gibt Interviews, die die russischen Behörden offensichtlich unzensuriert ablaufen lassen. Gegenüber der New York Times etwa nannte er den russischen Präsidenten einen „historischen Unfall“, zu dem es auf jeden Fall Alternativen gebe. Putin sei nichts anderes als „der Wunsch der korrupten Jelzin-Sippe“ gewesen.

Statt Arbeit Propaganda

Auch über die Haftbedingungen äußert sich Nawalny ausführlich. Mit den gängigen Vorstellungen von einem russischen Straflager habe seine Haftanstalt jedenfalls nichts zu tun. Der Regimekritiker müsse keine schwere Arbeit oder ähnliches verrichten, sondern werde stattdessen mit staatlicher Propaganda gefüttert. Der Tag bestehe aus mehreren ein- bis zweistündigen Fernseh-Einheiten, die der „Erziehung“ und Schärfung der patriotischen Gesinnung dienen sollen. Währenddessen ist weder Schlafen noch Lesen oder Schreiben erlaubt.

Der Sacharow-Preis sei für Nawalny „das einzige, das ihm Schutz gibt“, erklärt dessen enger Mitarbeiter Leonid Wolkow der ARD. Dabei gehe es darum, „dass er in der Haft nicht in Vergessenheit gerät. Denn er ist im Gewahrsam der Leute, die versucht haben, ihn zu töten. Wenn die internationale Aufmerksamkeit nachlässt, wer kann dann sagen, ob sie es nicht wieder versuchen?“

„Hotels in Österreich“

Auch für Wolkow gibt es eine einzige Methode, um auf Putin und die ihm treuen Oligarchen Druck auszuüben: persönliche Sanktionen. Man müsse auf deren Reichtümer im Ausland zugreifen, bezahlt mit Geld, das den Russen gestohlen worden sei: „Schlösser an der Cote d'Azur oder anderswo in Frankreich, Hotels in Österreich.“

Nawalny selbst äußert sich mit schwarzem Humor über seine Vergiftung und die Verfolgung durch das Regime. Es sei ja bekannt, dass ihn eine Todesschwadron im Auftrag eines „halb irren Zaren“ verfolgt habe.

Ob die chaotische russische Verwaltung es noch einmal versuchen werde: „Entweder sie töten mich oder nicht. Die Wahrscheinlichkeit liegt bei 50 Prozent.“

konrad kramar