Nannte gefallene Soldaten "Trottel" - das könnte Trump den Sieg kosten
Von Dirk Hautkapp
Seit er einen Airbus A 320 mit 155 Menschen an Bord trotz doppelten Triebwerkausfalls 2009 vor New York heil zur Wasserlandung brachte, ist Chesley „Sully“ Sullenberger ein allseits bewunderter Nationalheld. Als der pensionierte Air-Force-Pilot Präsident Donald Trump nach Bekanntwerden skandalöser Äußerungen über gefallene und kriegsversehrte US-Soldaten mit neun Twitter-Salven jetzt politisch abschoss, hörte Amerika genau hin: „Er kann Selbstlosigkeit nicht verstehen, weil er selbstsüchtig ist. Er kann sich Courage nicht vorstellen, weil er ein Feigling ist. Er kennt kein Pflichtgefühl, weil er treulos ist“, schrieb Sullenberger und rief seine Landsleute emphatisch dazu auf, den Amtsinhaber im November abzuwählen.
Zehntausende, darunter aktive und ehemalige Militärs und Angehörige gestorbener Soldaten, teilen in Leserbriefen und sozialen Medien die Empörung über das, was das renommierte Magazin Atlantic publiziert hat.
Gräber von „Verlierern“
„Schäbig“, „ekelhaft“, „unfassbar“ und „unentschuldbar“ finden sie, dass Trump 2018 in Frankreich den Besuch des US-Friedhofs Aisne-Marne abgelehnt haben soll. Mit der Begründung, das Gräberfeld sei „voll von Verlierern“. Dass Trump bei der Schlacht im Wald von Belleau 1918 Elite-Kämpfer der „Marines“ im Ersten Weltkrieg als „Trottel“ tituliert haben soll, weil sie dort fielen. Dass nicht schlechtes Wetter, sondern die eitle Sorge um die präsidiale Frisur, zur Absage eines Friedhofbesuchs geführt habe. Dass Trump vor einer Militärparade daheim verlangt habe, keine amputierten Veteranen einzuladen, weil „das niemand sehen will“. Dass er das Fahnden des Pentagon nach Überresten von toten US-Soldaten für überflüssig halte, weil die Betroffenen doch bekommen hätten, „was sie verdient haben“.
"Aus erster Hand"
All das und mehr hat Atlantic-Chefredakteur Jeffrey Goldberg unter Berufung auf vier anonymisierte Quellen mit Wissen "aus erster Hand“ aufgeschrieben und damit ein politisches Erdbeben ausgelöst, das Trump zwei Monate vor der Wahl "den Boden unter den Füßen wegreißen könnte“, wie Analysten in Washington sagen.
Sein Herausforderer Joe Biden, dessen verstorbener Sohn Beau im Irak-Krieg im Einsatz war, nannte die Äußerungen "erbärmlich“ und "krank“.
Die Entehrung des Soldatischen gilt in den USA als Todsünde. Dass ausgerechnet Trump, der sich nach außen in Sachen Militär-Glorifizierung von niemandem überbieten lässt, intern Häme über Soldaten ausschüttet, kann für ihn fatale Wählerbewegungen auslösen – sollten sich die Quellen hieb- und stichfest aus der Deckung wagen.
Schon im August wollten laut einer Erhebung der Military Times, der Zeitung der Streitkräfte, nur 37 Prozent der Militärs Trump wählen. Jeder zweite Soldat war mit ihm „unzufrieden“.
Trump, der die Coronavirus-Krise aus den Schlagzeilen schieben will und sich nach gewalttätigen Anti-Rassismus-Protesten gegen Biden als Garant für Recht und Ordnung zu inszenieren versucht, hat die Gefahr erkannt. Bei den anonymen Quellen handle es sich um „Abschaum“ und „Lügner“, sagte er. „Ich schwöre auf alles, dass ich das nie über unsere gefallenen Helden gesagt habe.“ Er vermutet seinen Ex-Stabschef John Kelly, einen ehemaligen Viersternegenerals, als Denunzianten.
Als Flankenschutz bot Trump eine Phalanx von Helfershelfern auf, die alle Vorwürfe zurückwiesen. Auch First Lady Melania Trump musste als Entlastungszeugin ran. Sie sagte, die Anschuldigungen seien „nicht wahr“.
Fox News gegen Trump
Doch danach bestätigte die renommierte Militär-Korrespondentin von Trumps Haus-und-Hof-TV-Sender Fox News, Jennifer Griffin, neben der Washington Post und der AP, den Atlantic-Bericht umfänglich und ergänzte ihn sogar. Demnach hat Trump US-Soldaten, die im Vietnam-Krieg kämpften, pauschal als „Trottel“ bezeichnet. Heikel. Während Trump Ende der 1960er Jahren den Militär-Dienst mithilfe eines Fersensporn-Attests umging, ließen fast 58.000 GIs in Vietnam ihr Leben. Trump verlangte die Entlassung Griffins und wütete auf Twitter: „Fox News ist gestorben!“