Politik/Ausland

Mariupol: "Es wird keine Kapitulation geben"

Die ukrainische Führung hat ein vom russischen Militär gestelltes Ultimatum an die Verteidiger von Mariupol zur Kapitulation kategorisch abgelehnt. "Es wird keine Kapitulation, kein Niederlegen der Waffen geben", sagte Vize-Regierungschefin Irina Wereschtschuk der Ukrajinska Prawda in der Nacht auf Montag. Sie forderte vom russischen Militär die Öffnung eines humanitären Korridors in die umkämpfte Hafenstadt.

Russland hatte am Sonntag die ukrainischen Truppen in Mariupol aufgefordert, die Waffen niederzulegen und die Stadt am Asowschen Meer am Montagvormittag zu verlassen. Dazu solle zwischen 10.00 und 12.00 Uhr Moskauer Zeit (8.00 bis 10.00 Uhr MEZ) ein Korridor eingerichtet werden, teilte Generalmajor Michail Misinzew am Sonntag nach Angaben der russischen Staatsagentur TASS mit.

Demzufolge schlug Russland der Ukraine einen Plan vor, wonach alle bewaffneten Einheiten der Ukraine die Stadt "ohne Waffen und Munition auf der mit der Ukraine vereinbarten Route verlassen sollten". Russland bestand demnach auf einer "förmlichen schriftlichen Antwort" seitens der Ukraine zu den Vorschlägen bis Montagfrüh um 5.00 Uhr Moskauer Zeit (3.00 Uhr MEZ).

Dazu hatte das russische Militär der ukrainischen Seite ein acht Seiten langes Schreiben übermittelt. "Anstatt Ihre Zeit auf acht Seiten Brief zu verschwenden, öffnen Sie einfach einen Korridor", zitierte Wereschtschuk aus ihrer Antwort an die Gegner.

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Stalingrad-Vergleich

Einer der letzten europäischen Diplomaten hat die belagerte ukrainische Hafenstadt Mariupol verlassen. Nach seiner Rückkehr in Athen sagte der griechische Konsul Manolis Androulakis am Sonntag: "Mariupol wird in eine Liste von Städten in der Welt aufgenommen werden, die durch den Krieg völlig zerstört wurden, wie Guernica, Stalingrad, Grosny, Aleppo." Er rief die Menschen dazu auf, "ihre Stimmen zu vereinen, um einen Waffenstillstand zu fordern".

In Griechenland wird Androulakis als Held gefeiert, weil er bis zuletzt erfolgreich die Ausreise zahlreicher griechischer Bürger aus der Stadt organisiert hatte. In der Ukraine gibt es seit dem 18. Jahrhundert eine große griechische Minderheit. "Wir haben versucht, so viele Auswanderer wie möglich zu retten", so Androulakis.

Er schilderte schlimme Szenen aus der Hafenstadt, wo er nach russischen Angriffen auf den Straßen verstreute menschliche Gliedmaßen gesehen hatte. Die Zivilisten würden "blind" getroffen und seien "hilflos". Androulakis betonte: "Helden sind die Menschen, die dort geblieben sind und versuchen werden, ihr Leben von Grund auf neu aufzubauen".

Humanitäre Katastrophe

"Es hat sich eine schreckliche humanitäre Katastrophe entwickelt", erklärt der Leiter des Nationalen Zentrums für Verteidigung, Michail Misinzew, mit Blick auf die Lage in der Stadt Mariupol.

Nach russischen Angaben befinden sich derzeit noch 130.000 Zivilisten in der Stadt. Der Stadtrat von Mariupol warf Moskau zuletzt vor, Zivilisten gegen ihren Willen nach Russland gebracht zu haben. Misinzew wiederum warf Kiew vor, die Zivilisten in Mariupol als Geiseln zu halten.

Nach russischen Angaben wurden am Sonntag mehr als 16.400 Menschen aus den selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk nach Russland gebracht. Insgesamt seien seit dem 24. Februar 330.686 Menschen aus der Ukraine nach Russland gebracht worden. Nach UN-Angaben sind mehr als 3,1 Millionen Menschen aus der Ukraine ins Ausland geflohen. Allein in Polen kamen bisher rund zwei Millionen Menschen an.

Griechenlands Generalkonsul in Mariupol, Manolis Androulakis, sagte nach seiner Rückkehr in die Heimat, er hoffe, er werde nie so etwas wieder sehen. "Mariupol wird sich in die Liste der Städte einreihen, die durch den Krieg völlig zerstört wurden", sagte er und verwies auf "Guernica, Coventry, Aleppo, Grosny und Leningrad". Nach Angaben des griechischen Außenministeriums ist Androulakis der letzte EU-Diplomat, der am Dienstag Mariupol verlassen hat.

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