Politik/Ausland

Albright und Fischer - davor warnen die beiden Polit-Veteranen

Die Brosche, die sie heute trägt, ist eindeutig. Ein Globus, ein runder. Einer ohne Mauern und Gräben.

Madeleine Albright, die Grande Dame der US-Diplomatie, hat immer gerne durch ihre Broschen gesprochen. Heute, am Podium der neu nach Wien gezogenen Central European University (CEU), ist es auch so: "Mir machen die vielen Mauern Sorgen", sagt die ehemalige US-Außenministerin; Mauern, die gebaut würden – und auch solche in den Köpfen.

Es wirkt etwas bitter, dass sie das hier sagt und nicht in Budapest, von wo die CEU ja vertrieben wurde. Doch die ideologischen Mauern, von denen die 82-Jährige spricht, seien dort eben besonders hoch: "Ungarn ist das beste Beispiel vom Schlechtesten."

Neben ihr sitzt Joschka Fischer, graues Haar, wieder etwas dickerer Bauch, er nickt. Die zwei verbindet eine lange Historie. Beide waren um die Jahrtausendwende Außenminister, er der erste Grüne, sie die erste Frau im US-Außenamt. Sie waren Pioniere in einer Zeit, in der Politik anders funktionierte: Im Jahrzehnt nach dem Ende der UdSSR waren mit Clinton, Blair und Schröder liberale Kräfte an der Macht; Europa und die NATO waren im Aufbruch Richtung Osten; und die Autokraten von heute – Trump, Erdoğan und Putin – waren weit entfernt.

Ex-Grünen-Chef Joschka Fischer (71) hat eine beachtliche Wandlung hinter sich. Als junger "Sponti" war er in der Frankfurter Hausbesetzerszene aktiv. 1985 sorgte er für Furore, als er sich als erster grüner Umweltminister in Hessen mit Turnschuhen angeloben ließ.

Drei Jahre später zog er unter Gerhard Schröder ins Außenamt und musste die ersten deutschen Kriegseinsätze seit dem Zweiten Weltkrieg argumentieren – 2003 die Kehrtwende, da machte er sich mit seinem "Nein" zum Irak-Krieg in den USA unbeliebt. Mittlerweile ist er Buchautor und – ungewöhnlich für einen Grünen – Berater großer Unternehmen.  

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200 Broschen besitzt die 82-Jährige – und alle dienten der Diplomatie: Madeleine Albright, in Prag geboren, in den USA zunächst für Jimmy Carter und später für Bill Clinton als erste weibliche Außenministerin tätig, sendete mit ihren Anstecknadeln immer Signale aus. Nachdem einer ihrer Konferenzräume von den Russen abgehört worden war, trug sie bei ihrem nächsten diplomatischen Treffen eine Riesenwanze am Revers.

Seit dem Ende ihrer aktiven Polit-Karriere im Jahr 2001 hat die Demokratin fünf Bestseller geschrieben und führt erfolgreich eine Beraterfirma – unter anderem mit Joschka Fischer.

 

"Nur einen Tweet vom Ende der NATO entfernt"

Und jetzt?

Jetzt, so der nüchterne Befund der Veteranen, drehe sich das Rad rückwärts. "Die Leute graben in den Friedhöfen des Nationalismus", sagt Fischer; und auch Albright spricht von "Hypernationalismus": Vor 30 Jahren sei Ungarns Premier Orbán "jedermanns liebster Dissident gewesen", heute zähle er zur Autokratenriege. Wie das sein kann, 30 Jahre nach dem Mauerfall? "Wir waren verblendet", sagt Albright selbstkritisch. "Wir haben uns nur mit den Eliten im Osten beschäftigt, den einfachen Leuten nicht zugehört." Fischer sieht das ähnlich. "Wenn es dem Esel zu gut geht, dann tanzt er auf dem Eis. Die Menschen vergessen, was war."

Die Brechstange, die Haudrauf-Politik, das ist ihre Sache nicht. Hier sitzen zwei, wie es sie heute kaum mehr gibt: Politiker, die leise Diplomatie der Polterei vorziehen. Nur logisch, dass man da schnell auf Donald Trump kommt. "Ich habe nie zu träumen gewagt, dass ein US-Präsident die NATO hinterfragt", sagt Fischer. "Wir sind nur einen Tweet vom Ende der NATO entfernt." Das sorgt zwar für Lacher, aber ist durchaus ernst gemeint.

Denn dass hier politische Expertise sitzt, muss auch klar sein. Sowohl Fischer als auch Albright beraten seit Jahren Politik und Wirtschaft auf höchster Ebene, teilweise auch gemeinsam. Die beiden wissen also nicht nur, was politisch wichtig war, sondern auch, was wichtig ist. Oder zumindest wäre.

Was das ist? "Wenn wir die NATO erhalten wollen, muss Europa endlich zu einer echten Macht werden", sagt Fischer. Denn neben Trump würde auch Russland für Instabilität sorgen, dazu klopfe China an unsere Türen.

Von Türen spricht auch Albright, allerdings in anderem Sinne. "Wir bauen alle gerne Zäune"; dagegen sei ja auch nichts zu sagen. "Aber es ist wichtig, eine Tür einzubauen und hie und da die Nachbarn zum Barbecue einzuladen", sagt sie. Dabei greift sie zu ihrer Brosche. Vielleicht ja auch mit Absicht.