Gegen Geburtenkrise: Tokio führt Vier-Tage-Woche ein
Von Franziska Trautmann
Japan erlangt nicht nur mit seinen zahlreichen Technologischen Innovationen internationale Aufmerksamkeit, sondern mittlerweile auch mit einer immer niedriger werdenden Geburtenrate. Tokios Stadtverwaltung wagt sich jetzt mit einem radikalen Experiment dagegen vorzugehen: eine Vier-Tage-Woche für ihre Mitarbeiter.
Ab April 2025 soll diese Maßnahme für mehr als 160.000 Angestellte gelten und die Möglichkeit bieten, Arbeit mit Privatleben besser vereinbaren zu können.
Gleichzeitig sollen Eltern mit Kindern in den Klassen eins bis drei der Volksschule berechtigt sein, Stunden auf Kosten ihres Gehaltes reduzieren zu können, um jeden Tag früher nach Hause zu gehen.
Beide Maßnahmen werden von Japans Hauptstadt vorangetrieben, um Frauen zu ermutigen, mehr Kinder zu bekommen und langfristig das demografische Problem des Landes zu lösen.
Nur 727.277 Geburten in Japan
Bereits seit 16 Jahren kämpft Japan mit einer stetig sinkenden Geburtenrate. Laut einem Bericht von Juni erreichte die Inselnation im Pazifik letztes Jahr ihr größtes Tief: nur 727.277 Geburten bei einer Population von knapp 124 Millionen Menschen. Mittlerweile ist Japans Geburtenrate - sprich wie viele Kinder eine Frau in ihrem Leben bekommt - von 1.26 auf 1.2 gesunken.
Um eine Bevölkerung stabil halten zu können, bräuchte man jedoch eine Rate von 2.1 Kindern pro Frau. Die Stadtverwaltung erhofft sich mit einem Anreiz von mehr Freizeit in Form von drei freien Tagen, vor allem junge Paare zur Familienplanung zu ermutigen.
Karriere oder Familie? Maßnahme in Tokio
Nach wie vor werden Frauen immer wieder vor die Wahl zwischen Karriere und Familie gestellt. Mit den neuen Maßnahmen möchte Tokios Stadtverwaltung Frauen die Möglichkeit bieten, Beruf und Familie besser zu vereinbaren. Tokios Gouverneurin Yuriko Koike nannte das als großes Anliegen auf einer Stadtversammlung vor kurzem: „Wir werden unsere Arbeitsweise weiterhin flexibel gestalten, damit niemand seine Karriere wegen Lebensereignisse wie Geburten oder der Betreuung von Kindern aufgeben muss.“
Denn nicht nur die sinkende Geburtenrate, sondern auch die vorausgehende Situation von Frauen in Japans Arbeitswelt ist für Koike problematisch. „Die Stärkung der Frauen, ein Ziel, das weit hinter dem Rest der Welt zurückgeblieben ist, ist ein langjähriges Thema in unserem Land“, sagte Koike laut Japan Times. Laut Weltbank lag die Erwerbsbeteiligung in Japan im Vorjahr bei nur 55 Prozent für Frauen und 72 Prozent für Männer.
"4 Day Week Global" als Vorbild
Die Gouverneurin hat das Erfolgsmodell einer 4-Tage-Woche bei Projekten der „4 Day Week Global“, einer gemeinnützigen Organisation mit Sitz im Großbritannien, gesehen. Die Organisation führte Pilotprojekte in 20 verschiedenen Ländern durch und kam jedes Mal zum gleichen Ergebnis: Produktivität und Lebensfreude stiegen an. Auswirkungen, die man auch gerne in Tokio hätte.
Das Experiment der Vier-Tage-Woche ist nicht der erste Versuch Tokios, um den Rückgang der Geburtenrate zu stoppen. Die Regierung der Hauptstadt präsentierte bereits mehrere Maßnahmen, unter anderem finanzielle Unterstützungen für Großfamilien, Investitionen in das Kinderbetreuungssystem und finanzielle Anreize für die Vaterkarenz. Sie brachte sogar eine eigens konzipierte Dating-App mit dem Ziel, einen Ehepartner zu finden, auf den Markt.