Politik/Ausland

Israel: Erste Geisel-Berichte über grausame Haftbedingungen

"Ich habe gehofft, dass sie wenigstens die Kinder gut behandeln“, klagte Dvora Cohen, die Tante des 12-jährigen Eytan Yahalomi, „aber vergeblich. Die Hamas-Terroristen sind Monster.“ Ihr Neffe wurde zusammen mit anderen Kindern gezwungen, sich einen Film des Massakers vom 7. Oktober anzusehen. 45 Minuten grausamer Todesqualen. Von Verwandten und Nachbarn. Wer weinte, wurde mit der Waffe bedroht.

Nur langsam gelangen Einzelheiten über das Schicksal der Geiseln an die Öffentlichkeit. Meist über Angehörige, denn die ersten Freigelassenen bleiben noch abgeschirmt von den Medien. Es zeigt sich, dass die Behandlung der Geiseln stark davon abhängt, wer sie bewacht. Die Bandbreite reicht von „den Umständen entsprechend korrekt“ bis grausam. Selbst bei Kindern. Wobei zurzeit auch die Angehörigen aus Rücksicht auf die zurückgebliebenen Geiseln noch nicht alles erzählen.

Entkommen und wieder gefasst

Häufig wurden die Verstecke gewechselt. Einige lagen im kilometerlangen Tunnelsystem der Hamas, andere oberirdisch in verlassenen Häusern. „Bei Bombardierungen haben die Wächter uns eingesperrt und flüchteten in die Bunker. Wir blieben dann allein.“

Wie der 25-jährige Roni Kriboy, der aus den Ruinen eines bombardierten Hauses klettern und flüchten konnte. Nicht lange. Einige Straßen weiter hielten Passanten den orientierungslosen jungen Mann fest. „Sie ließen mich nicht weiter laufen und übergaben mich der Hamas.“

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Kritik

Das ganze Ausmaß an Folter und Missbrauch ist noch nicht abzusehen. Einige Details aber veröffentlichte die Hamas in den ersten Tagen nach dem Überfall selbst. Da war ihre Euphorie über „die Heldentaten“ noch groß. Wie etwa Bilder von Frauen und Kindern in Käfigen.  Einige der Geiseln konnten sich wochenlang nicht waschen. „An manchen Tagen blieb das Essen ganz aus. An anderen gab es nur Pita-Brot oder ein wenig Reis. Aber einige der Mütter konnten selbst für ihre Kinder kochen. Wenn sie zusammenbleiben durften. Andere Familien wurden voneinander getrennt.

Angehörige beschweren sich auch über ihre vergeblichen Versuche, internationale Hilfsorganisationen einzuspannen. „Mehrfach hat die Vertretung des Internationalen Roten Kreuzes in Tel Aviv die Entgegennahme einer Medikamentenliste verweigert,“ beklagte sich die Tochter der 84-jährigen Geisel Elma Avrahami. Ohne ihre Medikamente ist ihr Leben gefährdet. UN-Frauenorganisationen ignorierten die Käfighaltung wie auch glaubhafte Berichte von Vergewaltigungen. Auch dieser Verbrechen haben sich einige der Terroristen gebrüstet – davon will die Hamas aber jetzt nichts mehr wissen. Vor ihrer Freilassung mussten einige der Geiseln Schriftsätze unterzeichnen, in denen sie der Hamas „außerordentliche Menschlichkeit“ und „königliche Behandlung“ bescheinigen mussten. 

Wobei das jetzige Schweigen der Geiseln bereits in Gefangenschaft begann. „Ich musste mein Ohr ganz nah an die Lippen meiner Tochter bringen, so leise hat sie geflüstert, erzählte Thomas Hand, der seine 9-jährige Tochter Emily diese Woche wieder in die Arme schließen konnte. Nachdem er sie bereits tot geglaubt hatte. „Emily flüstert nur noch. Sie wurde zum Schweigen abgerichtet.“

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"Sie sind bei uns sicher“

Kurz nach ihrer Verschleppung besuchte der Herr des Schicksals aller Geiseln die Verschleppten persönlich: Yahya Sinwar, der grausame Hamas-Herrscher Gazas. 22 Jahre lang hatte er in israelischen Gefängnissen hebräisch gelernt. „Sie sind bei uns sicher“, lächelte er die Geiseln an, „hier wird Ihnen nichts passieren.“

Was noch zu beweisen wäre. Im Gefängnis ermordete Sinwar eigenhändig 15 Palästinenser, die er für Verräter hielt.