Impeachment abgeblasen: Ein Freispruch mit Makel für Trump
Von Dirk Hautkapp
Aus den USA
Donald Trump bleibt Präsident. Eine Amtsenthebung vor dem regulären Wahltermin am 3. November ist vom Tisch. Nachdem der US-Präsident im Dezember wegen Machtmissbrauch und Behinderung des Kongresses in der Ukraine-Affäre vom demokratisch beherrschten Repräsentantenhaus angeklagt (“impeached”) wurde, wird der republikanisch dominierte Senat den 73-Jährigen am kommenden Mittwoch (22 Uhr MEZ) offiziell freisprechen. Das sagte Mehrheitsführer Mitch McConnell am Freitagabend. Damit ist zum dritten Mal in der amerikanischen Geschichte (1868 und 1999) ein Impeachment-Verfahren gegen einen Präsidenten in der entscheidenden Phase gescheitert.
Bolton bestätigte Vorwurf in Buch
Zuvor war eine wegweisende Abstimmung knapp zu Ungunsten der Demokraten ausgegangen. Dabei ging es um den Versuch, nach den Ermittlungen im Repräsentantenhaus Top-Zeugen vorzuladen, die sich dort verweigerten oder vom Weißen Haus mit "Maulkörben" belegt wurden
Allen voran: John Bolton. Der ehemalige Nationale Sicherheitsberater Trumps hat in einem noch unveröffentlichten Buch den Kernvorwurf der Demokraten aus erster Hand bestätigt. Danach hat Trump nachweisbar den Versuch unternommen, die Regierung in Kiew im Sommer 2019 dazu zu zwingen, gegen seinen potenziellen demokratischen Konkurrenten bei der Wahl im November, Joe Biden, auf Basis diskreditierter Verschwörungstheorien strafrechtliche Ermittlungen anzukündigen. Damit sollt der ehemalige Vizepräsident von Barack Obama bis zum Wahltag am 3. November öffentlich beschädigt werden.
Um der Ukraine Druck zu machen, ließ Trump die Auszahlung von US-Militärhilfe in der Größenordnung von 400 Millionen Dollar blockieren. Obwohl dies einen Gesetzesbruch darstellt, weil das Geld vom Kongress bewilligt war und zeitnah hätte angewiesen werden müsse. Außerdem schob Trump ein Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij im Weißen Haus, das dieser dringend benötigt hätte, um sich optisch gegen Russlands Präsidenten Putin zu behaupten, auf die lange Bank.
Nur zwei konservative Stimmen
Die demokratische Opposition im Senat (47 Sitze) hatte sich große Hoffnung auf vier Abweichler aus Reihen der Republikaner gemacht. 51 Stimmen hätten ausgereicht, um Bolton und andere Top-Leute (Stabschef Mick Mulvaney) aus dem engsten Regierungszirkel vorzuladen. Das seit Anfang Januar im Senat laufende Amtsenthebungsverfahren, das Donald Trump als “Hexenjagd” bezeichnet, hätte sich dadurch auf unbestimmte Zeit verzögert und womöglich eine neue Dynamik ausgelöst. Aber nur zwei von 53 Konservativen, Mitt Romney und Susan Collins, waren bereit. Wackel-Kandidaten wie Lamar Alexander und Lisa Murkowski übten sich in Fraktions-Disziplin. Am Ende hieß es 51:49 Stimmen gegen neue Zeugen. Lamar Alexander erklärte, Trumps Verhalten der Ukraine gegenüber sei zwar “unangemessen” gewesen, rechtfertige aber nicht den vorzeitigen Rauswurf des Präsidenten. Trump zehn Monate vor dem Wahlgang per Kongress auszumustern, das sei so, als würde man “Benzin auf die gesellschaftlichen Kulturkriege im Land gießen”, sagte Alexander. Dieser Meinung schlossen sich viele republikanische Senatoren an.
Trump persönlich und seine Anwälte bestreiten die Vorwürfe hartnäckig oder deuten sie um. Der Präsident habe sich in seinen amtlichen Befugnissen bewegt und “absolut nichts Falsches” getan, beteuerten die Juristen des Weißen Hauses, Pat Cipollone und Jay Sekulow, mehrfach. Der Vorwurf der Demokraten erfülle nicht die Kriterien für eine Amtsenthebung. Das ganze Verfahren sei politisch motiviert gewesen, um einen unbequemen und erfolgreichen Präsidenten zu zerstören. Dass rund 20 Top-Diplomaten aus Trumps eigenen Regierungsreihen (Taylor, Kent, Hill, Sondland, Yovanovitsch, Vindman etc.) im November in Anhörungen im Repräsentantenhaus unter Eid das Gegenteil bezeugten und in schillernden Details Trumps Intervention in der Ukraine schilderten, ließen dessen Anwälte unerwähnt.
"Rabenschwarzer Tag"
Führende Demokraten sprachen von einem “rabenschwarzen Tag” für den Senat und die amerikanische Demokratie. Anstatt ungeachtet der Person ("niemand steht über dem Gesetz") die Wahrheit zu suchen und der Forderung von 70 % der Amerikaner nach Zeugenvernehmungen nachzukommen, so der Minderheitsführer Chuck Schumer, habe sich die republikanische Partei in die Geiselhaft Trumps begeben und einen “Schein-Prozess” geführt.
Der daraus resultierende Freispruch am nächsten Mittwoch sei ein Muster ohne Wert und werde das Vertrauen der Amerikaner in die Integrität der politischen Prozesse in Washington weiter erodieren lassen. Mitnichten werde Trump dadurch rehabilitiert. Die demokratische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, der Trump zuletzt nachsagte, sie sei “widerwärtig” und “geisteskrank”, attestierte den Republikanern, sie machten sich “zu Komplizen der Vertuschung des Präsidenten”.
Für Trump bedeutet der Ausgang der Senatssitzung am Freitagabend - wie schon in der Russland-Affäre um Sonder-Ermittler Robert Mueller - einen Freispruch zweiter Klasse. Er bleibt bis zum Lebensende der dritte Präsident in der US-Geschichte, der “impeached” wurde. Die Entlastung im Senat hebt die Anklage im Repräsentantenhaus nicht auf.
Dazu kommt die Irritation darüber, dass die Republikaner mehrere Tage bis zur entscheidenden Abstimmung verstreichen lassen. Dahinter steht interner Streit. Mitch McConnell und andere wollten bis heute klar Schiff machen und alle Abstimmungen notfalls noch in der Nacht durchziehen. Andere Konservative sehen sich angesichts der Indizienfülle gegen Trump gegenüber ihren Wählern unter Rechtfertigungszwang. Sie wollen sich nach Tagen des erzwungenen Schweigens im Senat in individuellen Reden zu ihrer Entscheidung äußern. Dafür sind Montag, Dienstag und Teile des Mittwochs vorgesehen. Was, wenn John Bolton in dieses Vakuum stößt und in einem großen TV-Interview wirklich auspackt und neue Details nennt?
Dazu kommt: Die Demokraten wollten Trump nicht zugestehen, die traditionelle “Rede zur Lage der Nation” (state of the union) am Dienstag im Kongress ohne den Makel des Impeachment-Verfahrens halten zu können. Der bleibt sehr zum Verdruss Trumps formal bis zur Abstimmung einen Tag später bestehen. Dort ist mit keinen Überraschungen zu rechnen. Die Republikaner haben 53 Sitze, die Demokraten 47. Zur Amtsenthebung wären 67 Stimmen notwendig. Trump ist auf der sicheren Seite.