Nach Hubschrauber-Absturz: Trauerfeier für iranischen Präsident Raisi
Die Leichen des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi und der weiteren Opfer eines Hubschrauberunglücks sind nach Angaben des iranischen Roten Halbmondes vom Unglücksort geborgen worden. "Wir sind dabei, die Leichen der Märtyrer nach Täbris (im Nordwesten des Irans) zu überführen", sagte der Leiter des iranischen Roten Halbmonds, Pirhossein Kooliwand, am Montag im iranischen Staatsfernsehen. Der Sucheinsatz sei nun beendet – für Dienstag ist eine Trauerfeier angesetzt.
Auch Außenminister Hossein Amirabdollahian, der mit Raisi im Hubschrauber saß, sei bei dem Absturz ums Leben gekommen. Laut der iranischen Nachrichtenagentur Mehr wurden alle Insassen bei dem Absturz am Sonntag im Nordwesten des Landes getötet. Trotz starker Verbrennungen sei die Identität der Insassen am Montag festgestellt worden, sagte ein hochrangiger Regierungsvertreter gegenüber Tasnim.
Zuvor hatte ein Regierungsvertreter mitgeteilt, dass das Hubschrauberwrack nach stundenlanger Suche in bergigem Gelände gefunden worden sei. Der Hubschrauber sei bei dem Absturz vollständig ausgebrannt. Der Hubschrauber war iranischen Angaben zufolge abgestürzt, als er bei dichtem Nebel ein Berggelände überflogen habe.
Raisi war am Sonntagnachmittag zusammen mit Außenminister Amirabdollahian auf der Rückreise von einem Treffen mit dem Präsidenten des Aserbaidschan, Ilham Aliyev, als ihre Maschine vom Radar verschwand. Gemeinsam hatten sie im Nachbarland einen Staudamm eingeweiht. Mit insgesamt drei Hubschraubern machte sich der Tross danach auf den Rückweg gen Iran, doch die Präsidentenmaschine kam nicht an ihrem Bestimmungsort an.
Wie iranische Medien berichteten, liegt der Unglücksort in der Nähe von Jolfa - mehr als 600 Kilometer von der Hauptstadt Teheran entfernt, nahe der Grenze zu Aserbaidschan.
Notsitzung
Nach dem Tod von Raisi und Amirabdollahian kam Irans Kabinett erneut zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. Darüber berichteten iranische Medien am Montagmorgen übereinstimmend. Der erste Vizepräsident, Mohammed Mochber, hatte bereits am späten Sonntagabend eine Sitzung geleitet. Er würde gemäß Protokoll im Todesfall Raisis die Regierungsgeschäfte übernehmen. Innerhalb von 50 Tagen müssen Neuwahlen stattfinden.
Wie die Nachrichtenagentur Isna am Montagabend meldete, wurde der 28. Juni als Termin vorgeschlagen. Demnach könnten sich ab 28. Mai Kandidaten registrieren. Die Entscheidung über die Zulassung trifft der Wächterrat, ein Kontrollgremium konservativer Geislicher. Raisi hatte seine Wahl vor drei Jahren auch der Nicht-Zulassung mehrerer aussichtsreicher Kandidaten wie etwa die Ex-Präsidenten Hassan Rouhani oder Mahmoud Ahmadinejad zu verdanken.
Irans Religionsführer Ajatollah Ali Khamenei hat nach dem Tod von Präsident Ebrahim Raisi fünf Tage Staatstrauer angeordnet. Dies ging aus einer Mitteilung des Staatsoberhaupts vom Montag hervor. Khamenei bezeichnete Raisi als „unermüdlich“. Das iranische Volk habe einen „wertvollen und aufrichtigen Menschen verloren“, wurde Khamenei weiter zitiert.
Nach dem Tod des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi bei einem Hubschrauberabsturz soll gemäß der Verfassung der erste Vizepräsident Mohammed Mochber übergangsweise die Regierungsgeschäfte übernehmen. Der 68-Jährige hatte 2021 gemeinsam mit Hardliner Raisi sein Amt angetreten. Er gilt als enger Vertrauter des geistlichen und politischen Oberhaupts Ajatollah Ali Khamenei, der in allen Staatsangelegenheiten das letzte Sagen hat. Der Religionsführer des Irans Khamenei gilt als mächtigster Mann im Iran, im April wurde das Staatsoberhaupt bereits 85 Jahre alt.
Nach dem Hubschrauberabsturz wurde nun ein 93 Jahre alter schiitischer Geistlicher zum Vorsitzenden des einflussreichen Expertenrats gewählt, der im Todesfall die Nachfolge des Religionsführers bestimmt. Der erzkonservative Prediger Mohammad-Ali Kermani sei am Dienstag für eine Amtsdauer von zwei Jahren gewählt worden, berichtete die iranische Nachrichtenagentur ISNA. Er löst den früheren Vorsitzenden und inzwischen 97 Jahre alten Ahmad Jannati ab.
Außenpolitisch größer in Erscheinung getreten war Mochber im Oktober als Teil einer iranischen Delegation bei einem Moskau-Besuch, bei dem die beiden mit Sanktionen belegten Staaten über einen Ausbau ihrer Zusammenarbeit sprachen. Insidern zufolge erklärte sich der Iran damals bereit, weitere Drohnen und Boden-Boden-Raketen zu liefern, die Russland im Krieg gegen die Ukraine einsetzt. Begleitet wurde Mochber von zwei ranghohen Vertretern der mächtigen Revolutionsgarden und einem Vertreter des Obersten Nationalen Sicherheitsrates.
Raisi war seit 2021 Präsident gewesen. Er galt als Hardliner und als der zweitmächtigste Politiker im Iran hinter Ayatollah Khamenei. Er ordnete die blutige Niederschlagung von landesweiten Protesten nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini in Polizeigewahrsam vor eineinhalb Jahren an. Zudem stand er für eine harte Haltung bei den internationalen Verhandlungen über das umstrittene Atomprogramm der Islamischen Republik.
Innen- und außenpolitische Krise
Der Tod von Raisi und Amirabdollahian könnte die Islamische Republik in eine innen- und außenpolitische Krise stürzen. Insbesondere Amirabdollahian war als Außenminister seit Beginn des Gaza-Krieges verstärkt in die Öffentlichkeit gerückt und hatte zahlreiche Reisen zu Verbündeten unternommen. Mangels Alternativen dürfte sich die Suche nach einem Nachfolger für Raisi schwierig gestalten.
Mit Raisis Tod dürfte ein heftiger Machtkampf ausbrechen, schrieb der Iran-Experte Arash Azizi in einer Analyse für die US-Zeitschrift The Atlantic. Raisis Passivität habe Herausforderer unter den Hardlinern ermutigt. Sie würden seine schwache Präsidentschaft als Chance sehen. "Der Tod von Raisi würde das Machtgleichgewicht zwischen den Fraktionen innerhalb der Islamischen Republik verändern", hieß es noch bevor iranische Staatsmedien Raisis Tod bestätigten.
Gemäß Verfassung war Raisi zwar Regierungschef, er galt jedoch als eher schwacher Präsident - zumal Khamenei als Staatsoberhaupt ohnehin die mächtigere Stellung und in allen strategischen Belangen das letzte Wort hat. Raisi war im August 2021 als Präsident vereidigt worden.
Der erzkonservative Kleriker wurde damit offiziell Nachfolger von Hassan Rouhani, der nach zwei Amtsperioden nicht mehr antreten durfte. Als Spitzenkandidat der politischen Hardliner sowie Wunschkandidat und Protegé des Religionsführers Khamenei hatte Raisi die Präsidentenwahl mit knapp 62 Prozent der Stimmen gewonnen.
Seit 2021 Präsident
Der Iran stand zuletzt verstärkt in den Schlagzeilen, auch weil ein regionaler Krieg mit dem Erzfeind Israel zu drohen schien. Während Raisis Amtszeit vertiefte die Islamische Republik ihre wirtschaftliche und militärische Kooperation mit China und Russland, die Beziehung zum Westen kühlte unter anderem wegen des Streits über das iranische Atomprogramm ab. Außerdem warf der Westen der Führung in Teheran schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen vor. Trotzdem gab es erst vor wenigen Tagen wieder Berichte über neue, indirekte Gespräche mit den USA im Golfstaat Oman.
Israel hat sich nach dem tödlichen Helikopter-Absturz bisher nicht offiziell geäußert - israelische Medien berichteten am Montag jedoch unter Berufung auf namentlich nicht genannte Regierungsvertreter, dass Israel nichts mit dem Vorfall im Land seines Erzfeindes zu tun habe.
Die israelische Zeitung Jediot Achronot berichtete am Montag, Israel erwarte keine echten Auswirkungen durch den Tod von Raisi und Amirabdollahian auf den jüdischen Staat. Man gehe nicht von einer Änderung der Politik der Islamischen Republik Israel gegenüber aus.
Die einzige Frage sei nun, wer den iranischen Präsidenten ablösen werde. "Ranghohe Regierungsvertreter in Jerusalem gehen abgesehen von Veränderungen innerhalb des Iran nicht davon aus, dass es Auswirkungen für Israel geben wird, weil die Person, die Entscheidungen über das iranische Atomprogramm und die antiisraelische Terror-Kampagne trifft, der Oberste Führer Ajatollah Ali Khamenei ist", schrieb das Blatt. "In dem Bereich wird Raisis Tod keinen Unterschied machen, weder zum Guten noch zum Schlechten."
Hamas würdigte Raisi als Unterstützer
Die radikal-islamische Palästinenser-Organisation Hamas hat Raisi als wichtigen Unterstützer im Kampf gegen Israel gewürdigt. Raisi habe dem palästinensischen Volk wertvolle Hilfe geleistet und unermüdlich Solidarität im Gaza-Krieg gegen Israel bekundet, teilte die Hamas am Montag mit.
Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev hat sich kurz nach einem Treffen mit Raisi bestürzt über dessen Tod gezeigt. "Mit Präsident Ebrahim Raisi hat das iranische Volk einen herausragenden Staatsmann verloren, der seinem Land sein ganzes Leben lang mit Hingabe und Einsatz gedient hat. Sein Andenken wird immer in unseren Herzen weiterleben", hieß es in einem am Montag in Baku veröffentlichten Beileidstelegramm Aliyevs an den iranischen Religionsführer Ajatollah Ali Khamenei.
Auch EU-Ratschef Charles Michel hat im Namen der EU sein Beileid bekundet. "Die EU drückt ihr aufrichtiges Beileid zum Tod von Präsident Raisi und Außenminister Abdollahian sowie anderer Mitglieder ihrer Delegation und der Besatzung bei einem Hubschrauberunfall aus", schrieb Michel am Montag auf seinem offiziellen Account auf X. "Unsere Gedanken sind bei den Familien."
UNO-Generalsekretär António Guterres sprach den Familien, sowie der Regierung und den Menschen im Iran sein Beileid aus.
Raisi wurde 1960 in Maschhad geboren und war über drei Jahrzehnte in der Justizbehörde tätig. 2019 wurde er zum Justizchef ernannt. In seiner früheren Funktion als Staatsanwalt soll er im Jahr 1988 für zahlreiche Verhaftungen und Hinrichtungen politischer Dissidenten verantwortlich gewesen sein, weshalb seine Gegner ihm den Beinamen "Schlächter von Teheran" verpassten.
Experten hatten Raisi zwischenzeitlich auch als möglichen Nachfolger für Khamenei gehandelt, der im April 85 Jahre alt wurde. Auch wenn sich die Kritik der jungen Generation inzwischen immer mehr gegen das gesamte System der Islamischen Republik richtet, stand Raisi innenpolitisch besonders unter Druck. Zuletzt trieb die Regierung ihren umstrittenen Kurs bei der Verfolgung des Kopftuchzwangs voran und brachte damit Teile der Bevölkerung noch mehr gegen sich auf.
Reaktion der USA
Die Verbündeten Teherans, unter ihnen Russland und China, kondolierten nach dem Tod der Politiker, aus westlichen Ländern kamen eher verhaltene Reaktionen. Die US-Regierung bekundete zwar ihr Beileid, begleitete dies aber mit einem Hinweis auf die Menschenrechtslage im Iran. "Während der Iran einen neuen Präsidenten wählt, bekräftigen wir unsere Unterstützung für das iranische Volk und seinen Kampf für Menschenrechte und Grundfreiheiten", teilte US-Außenminister Antony Blinken am Montag in einer schriftlichen Stellungnahme mit.
Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, sagte, Raisi sei für grausame Menschenrechtsverletzungen in seinem Land verantwortlich gewesen, ebenso für die Unterstützung von Terrornetzwerken in der gesamten Region. "Keine Frage - das war ein Mann, der eine Menge Blut an seinen Händen hatte." Die US-Regierung bedaure aber generell den Verlust von Menschenleben und habe daher offiziell ihr Beileid ausgesprochen. Dies sei übliche Praxis. Von der Bundesregierung kam zunächst keine Reaktion.
Raisi in Heimatstadt Mashhad beigesetzt
Bei der Trauerfeier hielten viele Trauernde Porträts des Präsidenten und weiße Blumen, wie sie im Iran bei Beerdigungen traditionell üblich sind. Am Straßenrand und rund um den Imam-Resa-Schrein waren ebenfalls Fotos von Raisi, schwarze Flaggen und schiitische Symbole aufgehängt. Zuvor waren bereits in der östlichen Stadt Birdjand Trauernde des am Sonntag bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommenen Staatschefs durch die Straßen gezogen. Schon seit Dienstag hatten Zehntausende Anhänger dem ultrakonservativen Politiker in den Städten Täbris und Ghom die letzte Ehre erwiesen. Das geistliche Oberhaupt Ayatollah Ali Khamenei leitete bei der anschließenden offiziellen Trauerfeier am Mittwoch in der Hauptstadt Teheran die Gebete an Raisis Sarg.
Für die Trauerfeierlichkeiten war der Mittwoch zum arbeitsfreien Tag erklärt worden. Die Einwohner von Teheran erhielten Nachrichten auf ihre Handys, die sie aufriefen, an den Trauerfeierlichkeiten für den "Märtyrer" Raisi teilzunehmen. Bei der offiziellen Feier waren nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur IRNA Vertreter aus 60 Staaten anwesend, darunter der tunesische Präsident Kais Saied und der Emir von Katar, Tamim bin Hamad al-Thani. Auch der politische Chef der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas, Ismail Hanija, und die Nummer zwei der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah, Naim Kassem, nahmen an dem Trauerzug in Teheran teil. EU-Länder, darunter Österreich, waren nicht vertreten.
Irans Luftwaffe gilt als stark veraltet, ihre Modernisierung kommt angesichts scharfer internationaler Sanktionen kaum voran, neues Gerät und Ersatzteile sind schwer zu beschaffen. Viele der Flugzeuge und Helikopter stammen noch aus der Zeit vor der islamischen Revolution von 1979, als das Land enge Beziehungen zu den USA unterhielt.