Politik/Ausland

Israel dementiert geplante Waffenruhe mit Libanon

Nach dem erstmaligen Abschuss einer Hisbollah-Rakete auf Tel Aviv bereitet die israelische Armee eine Bodenoffensive im Libanon vor, sagte Generalstabschef Herzi Halevi am Mittwoch. 

Die Armee hatte zuvor "großflächige" Angriffe gegen die Schiitenmiliz geflogen. International wächst die Sorge vor einem Flächenbrand. Eine Staatengruppe um die USA und Frankreich sowie zahlreiche arabische Länder drängt auf eine Kampfpause.

Keine Waffenruhe mit Libanon

Der israelische Außenminister Israel Katz weist Vorschläge für eine Waffenruhe im Libanon zurück. "Es wird keine Waffenruhe im Norden geben", teilte Katz am Donnerstag auf der Plattform X mit. "Wir werden mit aller Kraft gegen die terroristische Organisation Hisbollah kämpfen, bis zum Sieg und bis die Bewohner des Nordens sicher in ihre Heime zurückkehren können." Die USA und Frankreich haben zu einer 21-tägigen Unterbrechung der Kämpfe aufgerufen.

Zuvor soll Israel laut einem TV-Bericht grünes Licht für eine Waffenruhe mit der libanesischen Hisbollah-Miliz gegeben haben. Ziel seien Verhandlungen über eine dauerhaftere Vereinbarung, berichtete der TV-Sender N12 unter Berufung auf einen namentlich nicht genannten Mitarbeiter des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu. Dies wurde mittlerweile von Netanyahus Büro dementiert. "Der Bericht über eine Waffenruhe ist falsch", hieß es in der Mitteilung. "Es handelt sich um einen US-französischen Vorschlag, auf den der Ministerpräsident noch nicht einmal reagiert hat."

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Libanon "am Rande des Abgrunds"

Seit dem Angriff der Hamas am 7. Oktober auf Israel und dem dadurch ausgelösten Krieg im Gazastreifen haben sich die regionalen Spannungen deutlich verschärft. Israels Norden steht seitdem unter Dauerbeschuss durch die mit der Hamas verbündete Hisbollah und reagiert darauf mit Gegenangriffen im Libanon. Mehrere zehntausend Menschen auf beiden Seiten der Grenze mussten ihr Zuhause verlassen. Laut jüngsten Äußerungen von UN-Generalsekretär António Guterres steht der Libanon "am Rande des Abgrunds".

In den vergangenen Tagen nahm der Konflikt noch einmal deutlich an Intensität zu. Zu seiner Verschärfung hatten Mitte September die Tötung mehrerer hochrangiger Hisbollah-Kommandeure durch Israel sowie die Explosionen von hunderten Pagern und Walkie-Talkies von Hisbollah-Mitgliedern beigetragen, bei denen 39 Menschen getötet und fast 3.000 weitere verletzt wurden.

Armeesprecher Daniel Hagari sagte am Mittwochabend, dass seit Montag mehr als 2.000 Hisbollah-Ziele im Libanon angegriffen worden seien. 

In der Früh hat die israelische Armee ihre Luftangriffe fortgesetzt. Sie habe in der Früh unter anderem ein Gemeindegebäude nahe Nabatiyeh im Süden bombardiert, meldete die staatliche Nachrichtenagentur NNA. Weiter südlich seien bei Angriffen unter anderem nahe der Grenze mindestens vier Menschen getötet worden, teilte das Gesundheitsministerium mit. Staatliche Medien nannten rund zwei Dutzend Orte, in denen es in der Nacht und in der Früh Angriffe gegeben habe.

Der libanesische Zivilschutz berichtete von Rettungseinsätzen unter anderem in der Bekaa-Ebene im Osten. Nach Israels Angriffen hätten Retter unter anderem ein Mädchen und weitere Verletzte aus Trümmern geholt und auch Leichen geborgen. Israels Militär teilte mit, die Luftwaffe habe etwa 75 Ziele im Libanon angegriffen in der Bekaa-Ebene sowie im Süden. Sie habe unter anderem auf Waffenlager und Abschussrampen für Raketen gezielt.

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Hoffen auf diplomatische Lösung

Nach massiven israelischen Bombardements im Libanon mit mehr als 500 Toten dringt eine Staatengruppe um die USA und Deutschland zusammen mit wichtigen arabischen Ländern auf eine Kampfpause. Die geforderte Waffenruhe soll 21 Tage dauern und Raum schaffen für eine diplomatische Lösung des Konflikts zwischen Israel und der Hisbollah-Miliz im Libanon sowie des seit fast einem Jahr andauernden Gaza-Kriegs. So steht es in der gemeinsamen Stellungnahme, die von den USA, Deutschland, der EU, Australien, Kanada, Frankreich, Italien, Japan, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar getragen wird.

Der kollektive Aufruf geht zurück auf eine Initiative der USA und Frankreich. US-Präsident Joe Biden und der französische Staatschef Emmanuel Macron hatten zuvor in einer gemeinsamen Stellungnahme erklärt, es sei Zeit für eine Vereinbarung an der israelisch-libanesischen Grenze, die Sicherheit garantiere, damit Zivilisten in ihre Häuser zurückkehren könnten.

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Rechte gegen Waffenruhe

Ultrarechte Politiker in Jerusalem kritisierten eine mögliche Waffenruhe scharf. "Der Kampf im Norden darf nur auf eine Art enden: mit der Zerstörung der Hisbollah und ihren Fähigkeiten, den Einwohnern des (israelischen) Nordens Schaden zuzufügen", schrieb der israelische Finanzminister Bezalel Smotrich bei X.

"Wir dürfen es dem Feind nicht erlauben, sich von dem harten Schlag zu erholen, den er abbekommen hat und sich für eine Fortsetzung des Kriegs nach 21 Tagen neu zu organisieren." Smotrich schrieb ferner: "Kapitulation der Hisbollah oder Krieg, nur so bringen wir die Einwohner und die Sicherheit zurück in den Norden."

Die rechtsextreme Koalitionspartei Ozma Yehudit berief angesichts der Berichte über eine mögliche Waffenruhe eine Dringlichkeitssitzung ein, wie die Nachrichtenseite ynet berichtete. Für sein politisches Überleben ist Netanyahu auf seine ultrarechten Partner angewiesen.

Israel wendet bei Hisbollah "sukzessive Eskalation" an

Israel hat nach Einschätzung des Nahost-Experten Jan Busse ebenso wie der Iran derzeit kein Interesse an einem "umfassenden regionalen Krieg". "Die Gefahr besteht natürlich, dass es zu einem umfassenden regionalen Krieg kommt", sagte der Politikwissenschaftler von der Bundeswehr-Universität München im Interview mit der Nachrichtenagentur AFP. Die militärische Eskalation zwischen Israel und der pro-iranischen Hisbollah im Libanon sei aber "noch kein offener Krieg".

Israels Ziel sei es vielmehr, die Schiitenmiliz "durch eine sukzessive Eskalation zum Einlenken" zu bewegen. Zwar sei die Lage an der Grenze zum Libanon "extrem angespannt". Dies habe die "deutliche Eskalation" in den vergangenen Tage gezeigt. Aus Busses Sicht bereitet Israel aber derzeit "noch keine Bodenoffensive" vor. Mit dem Versuch, die Hisbollah durch militärischen Druck zu einer Einigung "auf eine Form von Waffenstillstand" zu bewegen, will Israel nach Busses Einschätzung die Situation im Norden vielmehr "entkoppeln von der Situation im Gazastreifen".

Die Hisbollah habe sich einer "Einheit der Arenen" verschrieben, sagte Busse mit Blick auf die vom Iran angeführte sogenannte Achse des Widerstandes, zu der sich auch die Houthi-Miliz im Jemen und schiitische Gruppierungen in Syrien und im Irak zählen. Deren Ziel sei die Bekämpfung Israels und der Raketenbeschuss auf Israel zur Unterstützung der verbündeten Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen.

Die internationalen Bemühungen um diplomatische Lösungen bewertet der Nahost-Experte grundsätzlich positiv. Insbesondere die US-Regierung von Präsident Joe Biden habe sich hier in den vergangenen Monaten "sehr, sehr stark engagiert", unter anderem mit der Ernennung des Sondergesandten Amos Hochstein. Zuletzt warnte Biden am Dienstag vor einem "umfassenden Krieg" im Libanon und forderte, mit den diplomatischen Bemühungen nicht nachzulassen.

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