Hendl-Schummelimport aus der Ukraine mit EU-Hilfe
Von Konrad Kramar
Wenn’s um sein Hendl geht, ist dem Österreicher– wie auch vielen anderen Europäern – vor allem eines wichtig: Die Herkunft. Ob als Schnitzel oder vom Grill: Das Tier soll am besten von heimischen Kleinbauern stammen.
Doch die Mechanismen der globalen Geflügelwirtschaft halten mit solchen Vorstellungen oft nicht Schritt, wie der Fall eines riesigen Geflügelproduzenten in der Ukraine zeigt. Da wird Hühnerfleisch im großen Stil in die EU importiert, unter Umgehung von EU-Importbestimmungen, ohne Gültigkeit von EU-Regelungen für Tierschutz – und mit großzügigen Krediten aus der EU, etwa aus deren eigener Investitionsbank EIB.
Der MHP-Konzern, sechstgrößter Geflügelproduzent Europas, viertgrößter Landbesitzer in der Ukraine, fährt seit Jahren eine rasante Strategie der Expansion. Inzwischen produziert die Firma alleine vier Mal so viel Hühnerfleisch wie ganz Österreich. In der Ukraine beherrscht man den Markt.
Ein Knochen als Trick
Ebenso rasant steigen die MHP-Exporte in die EU an. Die dabei geltenden Import-Beschränkungen werden von MHP seit Jahren mit einem simplen Trick umgangen. Der EU-Import von Hühnerbrüsten – dem teuersten Stück vom Huhn – ist streng begrenzt. Also bleibt beim Zerlegen der Tiere in der Ukraine ein Knochen an den Hühnerbrüsten.
Bis Südafrika
Die damit als minderwertig klassifizierten Teile können unbegrenzt importiert werden. MHP aber besitzt inzwischen Betriebe in der Slowakei und in den Niederlanden. Dort wird der Knochen entfernt. Damit gelten die Hühnerbrüste als EU-Produkt und werden als solches nicht nur in der EU verkauft, sondern auch zollfrei in Drittmärkte exportiert, etwa nach Südafrika. Für den grünen Europaparlamentarier Thomas Waitz „bewusste Umgehung von EU-Regeln, die einfach hingennommen wurde“. Waitz ist gemeinsam mit der Kampagnen-Organisation Shifting Values dem Konzern seit längerem auf den Fersen.
Ob das MHP-Hühnerfleisch auch auf österreichischen Tellern landet, lässt sich laut Vertretern der heimischen Nahrungsmittelindustrie schwer feststellen. Allerdings verzeichnet der Geflügelimport aus der Ukraine nach Österreich riesige Zuwächse, im Vorjahr etwa mehr als 170 Prozent. Michael Wurzer, Vertreter der heimischen Geflügelzüchter vermutet die Hauptmenge im Bereich von Gastronomie, Großküchen und Kantinen: „Da bekommt der Konsument ja gar keine Information, woher das Fleisch stammt. das er isst.“
Sorge macht Wurzer auch die Tatsache, dass MHP inzwischen einen weiteren Geflügelzüchter in der EU gekauft hat, die Firma Perutnina, die auch Hühnerfleisch im großen Stil nach Österreich exportiert. Dort bemüht man sich klarzustellen, dass man trotz der Übernahme aus der Ukraine weiterhin nur Fleisch aus Slowenien nach Österreich importieren werde.
Steuerparadies
Mehrheitseigentümer von MHP ist der ukrainische Milliardär Yuriy Kosjuk, der auch beste Kontakte zu Präsident Petro Poroschenko hat und sogar Mitglied seines Kabinetts war. Firmensitz von MHP ist außerdem die Steueroase Zypern, zuvor war es Luxemburg.
Trotzdem kassiert MHP großzügig ukrainische Agrarförderung, im Jahr 2017 ein Drittel der gesamten Förderungen.
EU öffnet die Türen
Die Türen für den Export aus der Ukraine hat die EU mit dem Assoziierungsabkommen 2016 geöffnet. Im Gegenzug hat man von der Ukraine die Einhaltung von EU-Tierschutzrichtlinien verlangt. Doch Kiew ist dabei seit Jahren säumig, wie auch Waitz reklamiert: „Es gibt nicht einmal den versprochenen Aktionsplan, geschweige denn, dass die EU-Standards eingehalten werden.“
Kontrollen von Tierhaltungsanlagen in der Ukraine sind laut den Tierschützern von Shifting Values mehr als lückenhaft. Eine Überprüfung von MHP durch die EU-Kommission ergab Verstöße gegen die EU-Richtlinien bei der Schlachtung.
Quote nach Wunsch
Dass MHP mit seinem Knochen-Trick die Importbeschränkungen umgeht hat inzwischen auch zu einer Reaktion der EU-Kommission geführt, allerdings zu einer, die bei Beobachtern wie Waitz für Kopfschütteln sorgt. Das Abkommen mit der Ukraine soll umgeschrieben werden – und zwar so, dass MHP in Zukunft seine Hühnerbrüste legal exportieren kann. Die Quote soll einfach auf die Menge angehoben werden, die MHP jetzt mit Tricks in die EU exportiert.
Was den Grünen vor allem ärgert, ist die großzügige Kreditvergabe an MHP durch internationale Finanzinstitutionen. Neben der EU-Investitionsbank EIB hat vor allem die EBRD Kredite an den Konzern vergeben, also die „europäische Bank für regionale Entwicklung“. Mit der Förderung von Marktwirtschaft und Wettbewerb, die das Ziel aller Investitionen der Bank sein soll, habe das Geld für den den Giganten MHP nichts zu tun, geschweige denn mit regionaler Entwicklung.
Die ukrainische Landwirtschaft habe von diesen Geldern gar nichts. Und für die EU-Landwirtschaft seien die Folgen katastrophal: „Wir investieren Milliarden in unsere Landwirtschaft – und dann geben wir einem ins Unglaubliche gewachsenen Monopolisten, Milliarden, um diese kaputtzumachen.“
Aus der Sicht der heimischen Geflügelzüchter ist MHP einfach eine Konkurrenz, der man nicht standhalten kann: „Wir haben in Österreich die strengsten Tierschutz-Bedingungen Europas – und kämpfen mit einer Konkurrenz, die sich an all das nicht halten muss.“