Frankreich-Wahl: Macron siegt klar mit 58 Prozent
Aus Paris Simone Weiler
Dieses Mal marschierte Emmanuel Macron nicht wie vor fünf Jahren alleine zu den Klängen der 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven vor die Pyramide des Louvre, um seine erste Ansprache als neu gewählter Präsident zu halten. Die Europa-Hymne als Hintergrund-Musik war dieselbe, doch Macron hatte zu seiner Siegesfeier Sonntagnacht nicht vor den Louvre eingeladen, sondern auf das Marsfeld unter den Eiffelturm.
Er kam an der Hand seiner Frau Brigitte und umgeben von Kindern und Jugendlichen. Das sollte symbolisieren, dass er in seiner nächsten Amtszeit die junge Generation in den Mittelpunkt stellen will.
Mit rund 58 Prozent wurde der 44-Jährige am Sonntag in der Stichwahl gegen Marine Le Pen wiedergewählt. In seiner Rede würdigte er auch all jene, die nicht aus Überzeugung für ihn stimmten, sondern um die Rechtsextreme an der Macht zu verhindern.
"Ich will Ihnen hier danken und sagen, dass mich dies für die nächsten fünf Jahre verpflichtet", rief Macron.
28 Prozent der 48,7 Millionen Wahlberechtigten waren den Urnen fern geblieben – es war die höchste Stimmenthaltung seit 1969.
Macron streckte allen, die ihn nicht gewählt haben, die Hand aus und schloss auch diejenigen mit ein, die Le Pen ihre Stimme gegeben haben. Als bei deren Erwähnung Buhrufe und Pfiffe aufkamen, bat er, diese zu beenden, wie er es auch stets bei seinen Kundgebungen getan hat. Die Wut, die die Menschen dazu gebracht habe, rechtsextrem zu wählen, brauche eine Antwort, so Macron – "das wird meine Verantwortung sein".
Le Pen feiert "Sieg"
Marine Le Pen wiederum bezeichnete ihre Niederlage gestern Abend als "durchschlagenden Sieg": "Millionen unserer Mitbürger haben sich für das nationale Lager und einen Wechsel entschieden", sagte die 53-Jährige energisch. Das Volk habe den französischen und europäischen Machthabern ein Misstrauensvotum ausgestellt.
Während die Rechtspopulistin früher für den Ausstieg Frankreichs aus der EU und der Eurozone warb, setzte sie sich diesmal zwar für den Verbleib ein, forderte aber den Umbau der EU in eine "Allianz souveräner Nationen". So wollte sie aus dem europäischen Strommarkt aussteigen und nationales über EU-Recht stellen.
Demgegenüber warb Macron für eine Vertiefung der europäischen Zusammenarbeit und gerade auch mit Blick auf den Ukraine-Krieg für eine gemeinsame Verteidigung.
Macrons Sieg ist vor allem als Niederlage Le Pens zu verstehen. Denn viele Franzosen waren mit seiner ersten Amtszeit unzufrieden. Etliche Parteien hatten nach der ersten Wahlrunde dazu aufgerufen, eine Mauer gegen Rechts zu bauen und eine Präsidentin Le Pen, die trotz betont gemäßigteren Auftretens weiterhin extrem rechte Positionen vertritt, durch eine Stimme für Macron zu verhindern.
Diese Dynamik hatte es bereits 2017 gegeben, als Le Pen und Macron sich erstmals in der Stichwahl gegenüberstanden, sowie 2002 als Le Pens Vater Jean-Marie Le Pen gegen den Konservativen Jacques Chirac verlor.
Erleichterung für Europa
Der Wahlsieg Macrons dürfte eine große Erleichterung für Europa sein, auch wenn der charismatische Liberale bei weitem nicht überall der Wunschpartner ist.
Gratulationen kamen denn auch sofort aus Brüssel, von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und von EU-Ratspräsident Charles Michel: "Wir können fünf weitere Jahre auf Frankreich zählen", schrieb der Belgier am Sonntagabend auf Twitter. "In diesen stürmischen Zeiten brauchen wir ein starkes Europa und ein Frankreich, das sich voll und ganz für eine souveränere und strategischere Europäische Union einsetzt."
Macrons Widersacherin, Marine Le Pen, wollte sich von der seit Jahrzehnten engen Zusammenarbeit mit Deutschland lossagen. Die europaskeptische Nationalistin strebte zudem danach, den Einfluss der Europäischen Union in Frankreich entscheidend einzudämmen und hätte in Brüssel etliche Vorhaben aus Eigeninteressen ausbremsen können.
Der Pro-Europäer Macron hingegen gilt im Tandem mit Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Europa als treibende Kraft.
Auch Le Pens Nähe zu Kremlchef Wladimir Putin schürte in der aktuell eskalierenden Krise zwischen dem Westen und Russland Sorgen. Befürchtet wurde, dass die feste Pro-Ukraine-Front des Westens unter Le Pen bröckeln könnte. Immerhin stellte sie bereits wieder eine Kooperation mit Russland nach dem Krieg in Aussicht und kündigte an, Frankreich aus der Kommandostruktur des westlichen Verteidigungsbündnisses NATO auslösen zu wollen. Macron gilt im Gegensatz dazu als einer der wichtigsten westlichen Vermittler in dem Krieg. Immer wieder telefoniert er mit Putin.
2017 deutlicher unterlegen
Macron, der im Wahlkampf auf wirtschaftlichen Fortschritt setzte, hatte 2017 mit seiner Bewegung La République en Marche den Einzug in den Élyséepalast geschafft. Damals ein eher linker Kandidat, vertritt er mittlerweile verstärkt liberal-konservative Themen. Bevor er Präsident wurde, arbeitete der Nordfranzose als Investmentbanker, beriet den sozialistischen Präsidenten François Hollande und war unter diesem von 2014 bis 2016 Wirtschaftsminister.
Macrons Wiederwahl ist auch historisch gesehen nicht selbstverständlich: Seit Gründung der fünften Republik 1958 traten vor ihm nur drei Präsidenten eine zwei Amtszeit an, zuletzt der Konservative Jacques Chirac (1995 bis 2007). Der Konservative Nicolas Sarkozy scheiterte 2012 in seinem zweiten Anlauf auf das Präsidentenamt. Der Sozialist Francois Hollande war gleich gar nicht ein weites Mal angetreten.
Der französische Staatschef hat weitreichende Machtbefugnisse und amtiert fünf Jahre. Etwa 48,7 Millionen Französinnen und Franzosen waren zur Wahl eingeschrieben. In der ersten Runde vor zwei Wochen traten zwölf Kandidatinnen und Kandidaten an. Die traditionellen Volksparteien der Sozialisten und Republikaner fuhren historisch schlechte Ergebnisse ein.
Für die Geschicke Frankreichs wird es nun entscheidend sein, ob Macron bei den im Juni anstehenden Parlamentswahlen ebenfalls auf eine Mehrheit kommt. Geschieht dies nicht, müsste er einen Regierungschef aus dem Mehrheitslager benennen. Seine Macht wäre dann deutlich geschwächt und das Treffen politischer Entscheidungen würde entscheidend schwieriger.
Während Macron in der Stichwahl noch auf die Unterstützung linker Parteien und der Konservativen zählen konnte, verfolgen diese für die Parlamentswahl eigene Interessen. Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon, der bei den Präsidentschaftswahlen auf Platz drei landete, hofft, mit einem Wahlsieg der Linken im Juni Premierminister zu werden. Auch die Rechten dürften versuchen, durch das Parlament an Macht zu gewinnen.