"Schwarzer Dienstag": Streiks legen die Grande Nation lahm
aus Paris, Simone Weiler
Schon in den vergangenen Wochen gab es immer wieder Streiktage in Frankreich gegen die geplante Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron – nun aber soll der Protest in der Grande Nation erst richtig losgehen. Das versichern die Gewerkschaften, die Demonstrationen und Arbeitsniederlegungen im ganzen Land organisieren. Am heutigen Dienstag wollen sie „Frankreich lahmlegen“, warnten sie im Vorfeld. Auch könnte es nicht nur bei einem „schwarzen Dienstag“ bleiben, denn die Streiks sollen in der Folge auf unbestimmte Zeit verlängert werden.
Betroffen sind unter anderem die Bahn, der öffentliche Nahverkehr von Paris, ein Teil der Flüge, die Müllabfuhr, Raffinerien, Schulen und Kindertagesstätten, Chemieunternehmen, Gas- und Elektrizitätswerke. Lastwagenfahrer begannen bereits am Montag mit Blockadeaktionen. Verkehrsminister Clément Beaune kündigte „einen der schwierigsten Tage, die wir erlebt haben“ an. „Es wird starke Auswirkungen und echte Probleme für all jene geben, die nicht von zu Hause aus arbeiten können“, warnte er.
Gewerkschaftern der Elektrizitätsgesellschaft EDF zufolge wird die Energieerzeugung gedrosselt. „Es gibt erste Sicherheitswarnungen im System, doch unser Ziel ist, dass die Nutzer nicht betroffen sind“, sagte Fabrice Coudoir von der Gewerkschaft CGT gegenüber Le Monde. In der nächsten Woche stelle sich allerdings die Frage, ob sie noch weitergehen und die Lage eskalieren lassen: „Wir sind zu allem fähig.“ Auch CGT-Chef Philippe Martinez rüstete verbal auf, indem er sagte, er habe die Regierung immer gewarnt, dass „wir einen Gang hoch schalten, wenn nötig“.
Altersgrenze 64
Die Fronten sind verhärtet. Auf der einen Seite steht die Regierung, die zwar auf Wunsch der Opposition hin ihre Pläne schon aufgeweicht hat. Sie rückt jedoch nicht von ihrem Hauptziel ab, die Altersgrenze für die Rente schrittweise von 62 auf 64 Jahre zu erhöhen und zugleich die Einzahldauer für abschlagsfreie Pensionszahlungen schneller als bisher geplant auf 43 Jahre anzuheben. Die Alterssicherungssysteme, so lautet das Argument, drohen sonst dauerhaft in ein hohes Defizit zu rutschen.
Auf dem Spiel steht auch Macrons Image als Reformpräsident. Er will zeigen, dass er handlungsfähig bleibt, obwohl er bei den letzten Parlamentswahlen die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung verloren hat.
Auf der anderen Seite haben sich die acht größten Gewerkschaften des Landes, die sonst oft miteinander konkurrierten, zum ersten Mal seit zwölf Jahren wieder geschlossen zusammengetan, um das aktuelle Rentensystem zu bewahren. In Umfragen sprechen sich 71 Prozent der Französinnen und Franzosen gegen die Reform aus.
Mit einem Nachhaltshaushaltstrick schaffte es die Regierung zu erreichen, dass sie die Reform bis Ende März verordnen kann, damit sie im September in Kraft tritt. Da es also keine Möglichkeit gibt, sie auf parlamentarischem Weg noch zu stoppen, glauben die Gewerkschaften, nur die Wut der Bevölkerung auf der Straße sei dazu in der Lage. Nun beginnt die entscheidende Schlacht.