Politik/Ausland

Wie Frankreichs neuer Premier mit Steuern für Reiche Macron verärgert

aus Paris Simone Weiler

Keine Steuererhöhungen – das war die große Leitlinie des französischen Präsidenten Emmanuel Macron seit seiner Wahl 2017. Nachdem er zuvor als Wirtschaftsberater von Präsident François Hollande über dessen Idee eines Spitzensteuersatzes von 75 Prozent gespottet hatte  – Frankreich wäre dann "wie Kuba, nur ohne Sonne"  –, bestand eine seiner ersten Amtshandlungen in der teilweisen Abschaffung der Reichensteuer. Kontinuierlich senkte er die Abgaben vor allem für die arbeitende Bevölkerung und die Unternehmen und verbesserte so nachweislich das Wirtschaftsklima.

Siebeneinhalb Jahre und fünf Premierminister später wird umgeschwenkt. Das Land befindet sich in einer derart prekären finanziellen Lage, dass es ein Loch von 60 Milliarden Euro stopfen muss. Der neue Regierungschef Michel Barnier kündigte deshalb am Donnerstag nicht nur massive Einsparungen in Höhe von rund 40 Milliarden an, sondern auch Steuererhöhungen, die rund 20 Milliarden Euro einbringen sollen. Er bricht damit ein Tabu Macrons. Dieser soll schäumen, aber er hat versprochen, Barnier freie Hand zu lassen.

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Der ehemalige EU-Kommissar versicherte, von den "gezielten, zeitlich begrenzten" Maßnahmen betroffen seien lediglich die Reichsten im Land – die Rede ist von 65.000 Haushalten mit einem Einkommen von mehr als 500.000 Euro und den 300 umsatzstärksten Konzernen.

Trotzdem fürchten kleine und mittelständische Betriebe Auswirkungen der Sparpläne durch höhere Abgaben und Kürzungen bei der Ausbildungszulage – mit direkten Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit und damit den Arbeitsmarkt. Nachdem auch die Gebietskörperschaften ihre Ausgaben stark reduzieren sollen, ließ die Vereinigung der Bürgermeister wissen, dass sie "keine einzige Sparmaßnahme akzeptiert". Empörung löste auch die geplante Verschiebung der Pensionsanpassung um sechs Monate aus.

Kritik aus Macron-Lager

Lautstarke Kritik an dem Entwurf, der die nächsten Wochen im Parlament debattiert wird, kommt nicht nur aus der Opposition, sondern auch aus dem Präsidentenlager, das Barnier eigentlich unterstützen sollte. Der frühere Budget- und Innenminister Gérald Darmanin, jetzt wieder einfacher Abgeordneter, nannte jegliche Steuererhöhungen "inakzeptabel" und schlug stattdessen die Streichung eines Feiertages und ein Ende der 35-Stunden-Woche vor. Auch für Barniers direkten Vorgänger Gabriel Attal, der nun Fraktionsvorsitzender der Präsidentenpartei Renaissance ist, sehen die Pläne "zu viele Steuern und nicht genügend Reformen" vor.

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"Herr Attal, ich werde Ihre zusätzlichen Sparvorschläge aufmerksam betrachten, um das Defizit zu bekämpfen, das ich vorgefunden habe", konterte der Premierminister, der von "kolossalen Schulden" sprach. Diese haben eine Rekordhöhe von 3,24 Billionen Euro erreicht – das sind 112 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die Neuverschuldung wird in diesem Jahr sechs Prozent überschreiten, soll 2025 auf fünf Prozent und erst 2029 wieder unter drei Prozent gemäß den Maastricht-Regeln gedrückt werden. Die EU-Kommission hat im Sommer ein Defizitverfahren gegen Frankreich eingeleitet. Die Risikoaufschläge auf französische Staatsanleihen sind stark gestiegen.

Regieren am Parlament dabei

Trotzdem erweist sich Barniers Projekt als heikel, denn seine Mitte-Rechts-Regierung verfügt über keine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung. Es wird davon ausgegangen, dass er den Haushalt über den Sonderartikel 49.3 ohne Zustimmung des Parlaments umsetzt. Das könnte ein neues  Misstrauensvotum hervorrufen. Ein erstes hat er diese Woche erst überstanden, weil der rechtsextreme Rassemblement National einen Antrag des linken Lagers nicht unterstützt hatte. Diesmal jedenfalls nicht. Die Folgen für Frankreich wären unkalkulierbar.