Politik/Ausland

Nach Chaos am Flughafen in Kabul: Eine letzte Warnung der USA

Auf dem und um den Flughafen der  Hauptstadt Kabul spielten sich am Montag dramatische Szenen ab. Tausende Afghanen waren nach der Machtübernahme durch die radikal-islamischen Taliban gekommen, um einen Platz auf einem der Evakuierungsflügen zu ergattern. Es hatte sich das Gerücht verbreitet, dass jeder, der es auf das Areal schaffe, ausgeflogen werde.

Unzählige Menschen drangen bis auf das Rollfeld vor und erklommen Maschinen. Dabei starben mehrere Menschen.  US-Soldaten sollen zwei Menschen getötet haben, die mit Waffen hantierten.   Andere starben, als sie von abhebenden Militärmaschinen aus beträchtlicher Höhe fielen – das legen Videos nahe, die auf sozialen Medien verbreitet wurden.

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Auf Hochtouren laufen die Operationen vieler Staaten, darunter der USA, Deutschlands und Frankreichs, ihre Botschafts- und örtlichen Mitarbeiter in Sicherheit zu bringen. Washington hat bereits sein gesamtes Personal auf dem geschützten Flughafen versammelt – am Botschaftsgebäude in  Kabul wurde die  amerikanische Flagge eingeholt.  Österreich hat keine diplomatische Vertretung im Land am Hindukusch, das Land wird vom pakistanischen Islamabad aus betreut.

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Enttäuscht zeigte sich Montagabend auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Jenseits der Bekämpfung des Terrorismus sei alles „nicht so geglückt und nicht so geschafft worden, wie wir uns das vorgenommen haben“, sagte die CDU-Politikerin, die den deutschen  Einsatz seit 2005 zu verantworten hatte. „Das ist eine Erkenntnis, die ist bitter.“ Es seien „keine erfolgreichen Bemühungen“ gewesen. Daraus müsse man Lehren ziehen „und seine Ziele auch kleiner fassen“ bei solchen Einsätzen. Die Taliban hätten das ganze Land erneut unter ihre Kontrolle gebracht. „Das ist eine überaus bittere Entwicklung“, sagte Merkel. 

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Für Dienstag Nachmittag wurde eine Konferenz der EU-Außenminister angesetzt. „Afghanistan darf nicht wieder zu dem Zufluchtsort des Terrorismus werden, der es einmal war“, sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der betonte, dass die Antwort von Frankreich, Deutschland und anderen EU-Staaten „robust, koordiniert und vereint“ sein  werde.

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In Kabul selbst herrschte am Montag gespenstische Ruhe: Geschäfte und Cafés blieben geschlossen.   Werbetafeln und Poster, die Frauen abbilden, werden bereits übermalt. Hintergrund: Während der ersten Herrschaftsperiode der Taliban waren jegliche Bildnisse von Menschen verboten. Frauen verschwanden aus dem sozialen Leben.

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Politische Beobachter befürchten, dass nun ein ebenso rigides Regime etablierten werden könnte, das mit liberalen Menschen  und vor allem lokalen Mitarbeitern westlicher Staaten kurzen Prozess macht. Deshalb hat Frankreichs Verteidigungsministerin Florence Parly angekündigt, beschäftigte afghanische Ortskräfte sowie Menschenrechtsaktivisten, Journalisten oder Künstler ebenso auszufliegen. Deutschland will rund 10.000 Menschen aus dem Gebiet holen. Doch die ersten zwei Militärtransporter konnten nicht landen.
Die Taliban, die überall in Kabul Position bezogen haben, geben sich  betont moderat. Man wolle den Dialog mit der  Staatengemeinschaft.

Letzte Warnung aus Washington

Der Befehlshaber der US-Truppen im Nahen Osten, Kenneth McKenzie, traf sich bereits in Katar mit der Taliban-Führung. Er habe  klargemacht, dass ein Angriff auf die US-Truppen oder den Einsatz am Flughafen eine „schnelle und sehr schlagkräftige Antwort“ des US-Militärs nach sich ziehen würde, sagte ein Pentagon-Sprecher.

Mit Spannung wurde am Montag   die erste Reaktion von US-Präsident Joe Biden erwartet. „Unsere Mission war die Terrorbekämpfung und nicht, eine Nation   aufzubauen“, verteidigte er den Truppenabzug. Es sei die richtige Entscheidung gewesen für „unsere Menschen, für unsere Mitarbeiter vor Ort und für Amerika“, sagte Biden, der den geflohenen afghanischen Staatschef Ashrad Ghani kritisierte, weil er es verabsäumt hatte, die Taliban aufzuhalten.

Der bisher regierende afghanische Staatschef Ashraf Ghani hatte am Wochenende das Land am Hindukusch vor den anstürmenden „Gotteskriegern“ fluchtartig Richtung Usbekistan verlassen. Und zwar laut Angaben der russischen Botschaft in Kabul mit vier Wagen und einem Hubschrauber voller Geld. Ghani habe demnach noch Geld zurücklassen müssen, da nicht alles hineingepasst hätte. „Vier Autos waren voll mit Geld. Sie versuchten, einen weiteren Teil des Geldes in einen Hubschrauber zu stopfen, aber es passte nicht alles hinein. Ein Teil blieb auf der Rollbahn liegen.“

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